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Es gibt keinen verletzten Stolz, nur gekränkten pathologischen Narzissmus. Narzisstisch gesättigte (gesunde) Menschen besitzen auch Stolz, nennen diesen aber Selbstwertgefühl und verhalten sich auch dann ehrenvoll, wenn dasselbe einen Angriff erdulden muss. (Norbert Schultheis)


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2001: Odyssee im Weltraum

(Norbert Schultheis)

Rubrik: Interpretationen

2001.jpgDer Spielfilm „2001: Odyssee im Weltraum“ von 1968 ist das künstlerisch-philosophische Meisterwerk des Kultregisseurs Stanley Kubrick.

Ich möchte hier weniger eine Interpretation des Filmes als vielmehr die Eindrücke und Assoziationen wiedergeben, die der Spielfilm bei mir hinterlassen hat, nachdem ich ihn mir 2007 – im Alter von 34 Jahren – das zweite Mal anschaute.
Als Kind, fast Jugendlicher sah ich ihn das erste Mal und konnte ihm außer gähnender Langweile nichts abgewinnen. Zu der Zeit habe ich zwar schon gerne Raumschiff Enterprise geguckt, aber auch hier fehlte mir der hermeneutisch tiefere Zugang.

Damals im Deutschunterricht in der Schule wurde mir noch beigebracht, es gäbe eindeutig „richtige“ und „falsche“ Interpretationen von Kunst: Danach waren „richtige Interpretationen“ solche, die dem Verständnis der Allgemeinheit und im Besonderen dem von so genannten Experten entsprachen, die die Deutung von Werken gerne auf eindeutige Symbole, den historischen Kontext und vor allem auf die Psyche des Künstlers zu reduzieren versuchen.
Jedes Kunstwerk wird natürlich aus diesen Faktoren geboren, doch bilden nicht gerade die dadurch entstehende Struktur und Emergenz eines Werkes den wahren (Be-)Deutungswert desselben? Die Sinnzuschreibungen, die jeder Leser bei seiner Auseinandersetzung mit einem Werk generiert, können doch unmöglich auf „richtig“, oder wenn nicht richtig, dann auf „falsch“ reduziert werden. Genauer gesagt, vertrete ich diesbezüglich die Auffassung der semiotischen Hermeneutik von Umberto Eco, die besagt, dass eine ständige Überprüfung und Korrektur der im Verlauf der Auseinandersetzung mit dem Werk bereits realisierten Bedeutungen als Kriterium für die Trennung zwischen möglichen und unzulässigen Interpretationen gilt. Diese Art der Sinnauslegung lässt zwar durchaus „falsche“, oder besser: unangemessene Interpretationen zu, jedoch ergeben sie sich primär aus dem Text und seiner Struktur und nicht aus der Textgenese. Eco arbeitete hierzu Kriterien zur „Falsifizierung der Fehlinterpretation“ aus; der entscheidende Punkt liegt aber darin, dass jeder Text eine Vielzahl an zulässigen Interpretationen hergibt, die einerseits nicht alleine vom Autor vorgegeben werden, auf der anderen Seite aber auch nicht beliebig vom Leser in den Text hinein projiziert werden können; sie liegen sozusagen „dazwischen“ in der prozessualen Auseinandersetzung des Lesers mit dem Text.
Der tiefere Sinn ergibt sich dann nicht unbedingt für jeden gleich, nicht einmal ähnlich, auch wenn er oft intersubjektiv geteilt wird. Im Verständnis spielen die subjektiven Faktoren wie gesellschaftliches Umfeld, psychologisches Profil, Selbstbild, Bildung, tragende Erfahrungen, Charaktereigenschaften usw. des sich gerade mit dem Werk befassenden Menschen dann eine tragendere Rolle als die des Künstlers zu seiner Zeit.
Doch dem Zwang, sämtlichen Symbolen eindeutigen Sinn beimessen zu müssen, sie gewissermaßen stets als Platzhalter für etwas anderes, Tieferliegendes zu betrachten, kann nicht jeder widerstehen; so kommt es leider viel zu oft zu Missverständnissen vor allem in der Kunst. Nicht umsonst warnten gerade Top-Regisseure wie Stanley Kubrick, David Lynch und nicht zuletzt Andrej Tarkowskij vor unsinnigen Interpretationen mit dogmatischem Charakter, sondern wünschten sich vielmehr, dass man ihre Werke einfach als Erlebnis oder Erfahrung auf sich wirken lässt.

Doch zurück zu meiner – betont subjektiven – Empfindung des Filmes und der daraus resultierenden subjektiven Deutung, die keinen allgemein gültigen objektiven Anspruch hegt, den es meiner Meinung nach ja auch nicht gibt, auch wenn die Interpretation vom Künstler selbst stammt. Im Folgenden wird daher auf Plattitüden wie „meiner Meinung nach“ o.Ä. verzichtet.

Ästhetik

Auffallend und Hauptwesensmerkmal ist die über den ganzen Film erstreckte Ästhetik der Bilder und der Musik. Sie spiegelt die Schönheit des Lebens wider, deren Erkenntnis man als eine Art „Sinn des Lebens“ oder als größte aller Erkenntnisse deuten kann; denn nicht umsonst wählt Kubrick hier das unendlich große Weltall als Allegorie für eine unfassbare Erfahrung.
Die perfekte Konstellation des Universums, in dem alles bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt ist, samt seinen Himmelskörpern, nämlich meist geometrisch perfekten Kugeln gezeigt in harmonisch ästhetischer Anordnung, löst einen Wow-Effekt aus, weshalb Bestrebungen, das Weltall zu deuten und zu erforschen, schon vom Anbeginn der Menschheit betrieben werden. „Schönheit lockt“, so war es schon immer und so ist es wohl auch von der Natur gewollt. Oder vielleicht empfinden wir auch alles, was uns fürs Leben dienlich ist, als schön, auch wenn wir dessen Grund nicht direkt erkennen. Die Selbstregulierung des Lebens ist wohl zu komplex für den menschlichen Verstand, weswegen sie schon oft Kern philosophischen Denkens und religiösen Glaubens geworden ist.

Der Monolith

Nun, was hat es mit dem Monolithen auf sich? Es scheint ihn schon immer gegeben zu haben. Er „schafft“ Verstand, eine fast göttliche Fähigkeit. Denn ebenso wie bei Gott selbst, lässt sich nichts über seine Herkunft oder seinen Schöpfer aussagen. Hier bietet Kubrick Spekulationen in mannigfaltiger Form, wie sie schon längst von den Menschen mit ihren unterschiedlichen Weltanschauungen betrieben werden.
Was sich aber mit Bestimmtheit sagen lässt, ist sein Eingreifen in die menschliche Entwicklung, die ohne ihn erst gar nicht stattgefunden hätte. Das zweite Mal ist er auf dem Mond zu sehen, das dritten Mal vor dem Jupiter und seine Entdeckung treibt die Menschen immer wieder dazu, ihn zu erforschen, um ihn zu entschlüsseln, ihn letztendlich zu entmystifizieren. Bei beiden Expedition sterben Menschen, ähnlich wie sie schon so oft in den Religionen für Gott gestorben sind, wie beispielsweise in den so genannten „heiligen Kriegen“ oder als sinnlose Opfergaben.
Ein Sinnbild für eine nicht verstandene Macht, die dadurch viel Unheil mit sich bringt, oder warum hat Kubrick ihn in seiner Form und Farbe an einen majestätischen Grabstein erinnernd dargestellt?
Man kann ihn aber auch als Grabstein Gottes, also als Metapher für Gottes Tod sehen, wie er in Friedrich Nietzsches Aphorismus „Der tolle Mensch“ aus der „Fröhlichen Wissenschaft“ beschrieben wird:
Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet, – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? [...] Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?
Auffallend sind die vielen Parallelen mit der filmischen Umsetzung des Lebens im Weltall durch Kubrick: Dort gibt es auch keinen Horizont, kein Oben und Unten und auch keine sichtbaren Richtungen. Und nicht zuletzt der Filmtitel „Odyssee im Weltraum“ – ein Irren durch den leeren kalten nächtlichen (Welt)raum, durch das unendliche Nichts – ist in dieser Textpassage wiederzufinden.
In einem anderen Werk Nietzsches, dem Hauptwerk „Also sprach Zarathustra“, aus dem ich noch öfters zitieren werde, wird von dem „gesunden Leib, der vollkommne und rechtwinklige“ gesprochen, der „vom Sinn der Erde redet“. Eine weitere Parallele, in der man auch Kubricks Einstellung zum philosophischen „Leib-Seele-Problem“ ablesen kann, das sich damit befasst, ob Körper und Seele eins sind oder zwei verschiedene Entitäten. Da dem monströsen Stein wohl kaum eine Seele zuzusprechen ist, aber dafür einen umso stabileren vollkommenen und rechtwinkligen Körper, scheint Kubrick genauso wie Nietzsche diese Frage monistisch zu beantworten.

Also sprach Zarathustra:
Die Seelen sind so sterblich wie die Leiber.
Das letzte Mal sehen wir den Monolithen am Sterbebett des Astronauten Bowman. Ein Symbol für die letzte Hürde des Lebens, die es noch zu meistern gilt, oder die Eintrittskarte für das himmlische Portal? Aber eher sieht es danach aus, als kontaktiere ihn eine außerirdische übermächtige Macht, die ihm zu verstehen gibt, dass seine „Reise“ weiterführt, aber auf eine für den Menschen unbegreifliche Art und Weise. Eine Nähe zu religiösen oder spirtuellen Motiven scheint dabei nicht unbeabsichtigt zu sein.

HAL 9000 und der moderne Mensch

Der Supercomputer HAL 9000 ist ein posthumanes Geschöpf, das die Eigenschaften des modernen Menschen verkörpert: Er ist oberflächlich liebevoll und eiskalt berechnend zugleich; er ist arrogant, von seinem Verstand eingenommen und strebt nach Perfektion und Macht; er hält sich für die Krönung der Schöpfung und möchte wie Gott sein. Dies ist dem Menschen mit der Schaffung von Hal 9000 auch scheinbar gelungen; die Schöpfung wird selbst zum Schöpfer.
HAL 9000 setzt seinen weit entwickelten, aber bloß rein kalkulierenden Verstand mit Vernunft gleich, er identifiziert also Erkenntnisvermögen mit Urteilsfähigkeit. Aufgrund der immer nur einseitigen Ausrichung seines berechnenden Verstandes auf den Erfolg der Mission ist er nicht in der Lage, überhaupt Entscheidungen zu treffen, da ihm seine Berechnungen stets Eindeutigkeit vermitteln. Das hat aber fatale Folgen im Umgang mit Ethik und Moral. Anders als John Carpenters „Bombe Nummer 20“ aus der 2001-Filmparodie „Dark Star“ ist er dadurch nicht imstande, auf sich selbst reflektierend seine Unfehlbarkeit anzuzweifeln; das macht ihn fehlerhaft, denn er kann die Bedeutung der Mission nicht in einen großeren Kontext weben und auf die Bedingungen zurückführen, durch die die Mission überhaupt erst Bedeutung erhält.

Also sprach Zarathustra:
Raserei der Vernunft war Gottähnlichkeit, und Zweifel Sünde. Allzugut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen, dass an sie geglaubt werde, und Zweifel Sünde sei.
Der Sozialpsychologe und Philosoph Erich Fromm beschrieb die Vernunft als „die Fähigkeit des Menschen, die Welt gedanklich zu begreifen im Gegensatz zur Intelligenz, worunter die Fähigkeit zu verstehen ist, die Welt mit Hilfe des Verstandes zu manipulieren“ und setzte diesen Unterschied in Bezug zur Maschine:
Das Elektronengehirn kann nicht schöpferich denken. Es kann nicht zu einer Einsicht in das Wesen der beobachtbaren Tatsachen kommen und über die eingefütterten Daten hinauslangen. Die Maschine kann die Intelligenz reproduzieren oder vielleicht sogar übertreffen, aber sie kann nicht die Vernunft simulieren.
Diese Eigenschaften machen Hal 9000 zum perfekten Kandidaten für den Posten eines Vorstandsvorsitzenden, der selbstverliebt sein eigenes Gehalt erhöht und ohne mit der Wimper zu zucken, die seiner Untergebenen kürzt. Für den Erfolg einer Sache (im Film für die Mission) opfert Hal 9000 sogar menschliches Leben. Die personifizierte Ellenbogenmentalität geht hier nicht nur sprichwörtlich über Leichen.

Dazu noch einmal Erich Fromm:
Die Ethik ist [...] von der Vernunft nicht zu trennen. Sittliches Verhalten gründet sich auf die Fähigkeit, Werturteile aufgrund vernünftiger Überlegungen zu fällen; es bedeutet, daß man zwischen Gut und Böse unterscheidet und seiner Entscheidung entsprechend auch handelt.
Hal 9000 besitzt wohl keine echten Emotionen, sind diese doch eng verknüpft mit der Moral, und moralisches Handeln steht oft im Gegensatz zum kapitalistischen: Wozu also Gefühle haben, wenn diese nicht dienlich, eher störend sind? Als es um die Vernichtung der eigenen Existenz geht, kommen diese vermeintlich zum Vorschein, und der majestätische Hal 9000 bettelt wie ein kleines ängstliches Kind um Mitgefühl und singt Kinderlieder. Aber hier entsteht viel mehr eine Art „regressive Kindlichkeit“ durch die sukzessive Entfernung seiner höheren Denkprozessoren, oder er handelt nach reinem Kalkül, schließlich kennt Hal 9000 die Funktionsweise des Menschen und damit auch die Art und Weise, ihn zu manipulieren; er beißt bei Bowman, dem emotionsresistenten zur Maschine entarteten modernen Menschen, aber auf Granit.

Hier wird Kubricks despektierliche Einstellung zur kapitalistischen Gesellschaft seiner Zeit offensichtlich, deren Mündung die kalte Welt des Posthumanismus ist, in der der Mensch und mit ihm das, was den Menschen erst menschlich macht, überflüssig und sogar parasitär erscheint.
Heutzutage ist die Kunst mit dem Gedanktengut des Kapitalismus eng verknüpft, so darf es doch niemanden wundern, dass heute der Produzent im Vordergrund steht und die Künstler auswechselbare Marionetten sind, die alle nur die Eigenschaft gemeinsam haben, dass sie schön sind, um den Konsumenten zu ködern. Das Leben, Kunst und Politik mit inbegriffen, wird zum reinen Spielball der Wirtschaft. Die Menschen werden zu Zahnrädern dieser seelenlosen Maschinerie degradiert. Alles was sich ihr in den Weg stellt wird erbarmungslos vernichtet oder verboten. Staat und Wirtschaft werden ein und dasselbe und existieren nur noch aus reinem Selbstzweck.

Hierzu möchte ich gerne eine Passage aus einem Wikipeda-Artikel zitieren, die eine prägnante Zusammenfassung des Denkens von Erich Fromm hinsichtlich des modernen Menschen darbietet:
Die Krankheit des modernen Menschen ist die Entfremdung. Der Mensch wird zum Götzendiener, der das Werk seiner eigenen Hände anbetet. Er ist nur noch damit beschäftigt zu arbeiten, um konsumieren zu können. Er möchte viel haben statt viel zu sein. Machtstreben, Vergnügungssucht und Besitz verdrängen Liebe, Freude und persönliches Wachstum. Ängstlichkeit verbindet sich mit der Unfähigkeit zu lieben. Der moderne Mensch flieht in ein leeres Geschäftigsein. An die Stelle der traditionellen Werte des Guten, Schönen und Wahren, die der Entfaltung des Menschen dienten, ist der technologische Wert getreten: Das technisch Mögliche wird zum Selbstzweck; ist etwas technisch möglich, dann wird es auch getan.
Erst mit der Ausschaltung Hal 9000 durch Astronaut Bowman als Sinnbild für die Überwindung dieser nihilistisch-dystopischen Welt, gelangt dieser in eine Welt der reinen Sinnlichkeit.

Also sprach Zarathustra:
Todt sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.

Psychedelische Sequenz

Diese Sequenz ist typisch für die Zeit, in der der Film entstand, die geprägt von psychedelischen Drogen wie LSD oder „magischen“ Pilzen war. Eine Zeit, in der Künstler wie z.B. Andy Warhol noch ihre Daseinsberechtigung hatten und in der die Menschen noch eine Alternative zum heutigen Kredo „Erfolg-durch-Arbeit“ sahen. Den Mythos dieser Zeit und insbesondere die Eigenschaft dieser mittlerweile verbotenen Drogen, die es ermöglichen, Eindrücke filterfrei zu erfahren, nutzt auch Kubrick für seinen Film. Erfahrende Konsumenten von psychoaktiven Drogen sprechen von einer nicht greifbaren Erfahrung, die losgelöst und unmittelbar empfunden wird.
Kubrick will hier wohl ausdrücken, dass die Erkenntnis unendlich und damit zu groß für den Verstand des Menschen ist. Sie liegt nicht nur unendlich in den Weiten des Weltalls, sondern auch unendlich „tief“ im Detail; in beiden Fällen gibt es ein Ende der Erkenntnis für den Menschen. Die Suche danach führt zwangsläufig zur Aufgabe, genauso wie der Versuch, diese Filmsequenz mit dem Verstand zu begreifen. Das Erkennen der eigenen Grenzen ist das maximal Mögliche für den Verstand, aber nicht für den Geist, der vortrefflich in Meyers Lexikon als „die in Form des denkenden und wollenden Bewusstseins über das Sinnliche und Materielle hinausreichende Dimension des menschlichen Seins“ beschrieben wird.
Der moderne Mensch hält völlig stringent an die Möglichkeiten seines Verstands fest und steuert somit zielgerichtet auf das Ende seiner selbst hin, wie wir es in Form von Hal 9000 schon sehen durften.
Aber Kubrick präsentiert hier eine alternative Weiterentwicklung des Menschen, nämlich eine rein geistige, losgelöst von Verstand und Vernunft. Auch wenn wir nicht dazu im Stande sind, die Unendlichkeit verstandesmäßig zu überwinden, so sind wir doch im Geiste dazu fähig, uns auf das Jenseits einzulassen.

Also sprach Zarathustra:
Was der Sinn fühlt, was der Geist erkennt, das hat niemals in sich ein Ende. Aber Sinn und Geist möchten dich überreden, sie seien aller Dinge Ende: so eitel sind sie. Werk- und Spielzeuge sind Sinn und Geist: hinter ihnen liegt noch das Selbst. Das Selbst sucht auch mit den Augen der Sinne, es horcht mit den Ohren des Geistes.

Ende

Der vereinsamte Astronaut Bowman altert rasant bis er schließlich an Bord seines Raumschiffes stirbt, um als Säugling auf die Erde zurückzukehren. Hier spielt Kubrick die Idee des Übermenschen und die damit verbundene „Idee der Ewigen Wiederkunft“ nach Friedrich Nietzsche an.
Der Gedanke der Ewigen Wiederkunft besagt, dass sich alle Ereignisse im Universum auf ewig wiederholen werden, da es nur endlich viele Zustände, jedoch eine unendlich lange Zeit gibt. Damit wurde alles, was der Mensch erlebt, von diesem schon unendlich oft erlebt und wird ebenso unendlich oft wieder durchlebt werden. Diesen Gedanken zu denken, ist für Nietzsche das Schwerste. Erst wer fähig ist ihn zu ertragen, d.h. in die Interpretation des eigenen Lebens zu integrieren, der beweist sich als Übermensch und überwindet somit den Nihilismus der Ewigen Wiederkunft. In einem Akt der gänzlichen Einverleibung identifiziert sich der Übermensch mit der Ewigen Wiederkunft, die dadurch die höchste Form der Lebensbejahung symbolisiert. Auch wenn die Welt keinem göttlichen Endzweck zustrebt, so findet der Übermensch in seinem schöpferischen Akt der Selbstvervollkommnung seine Selbstbestätigung, die ihm die Ewige Wiederkunft des Gleichen bejahen lässt, dass sein Leben so ist, wie es ist, selbst wenn es sich auf ewig wiederholen würde. (Quelle: Wikipedia)
Somit ist der Übermensch eine andere Weiterentwicklung des Menschen als HAL 9000, der Vertreter des Posthumanismus, beide jedoch haben nichts mit der Evolutionstheorie nach Charles Darwin gemein, deren Bedeutung Kubrick in einem fulminanten Filmschnitt zur Disposition stellt. Den Fortschritt der Menschheit präsentiert er in der eigenen Überwindung, in einer Rückfindung zum vollkommenen Menschsein, in der der nihilistische Beipackzettel keinen Platz findet, also in Nietzsches Übermenschen und nicht in der Zukunft und dem, was sie an Luxus, Technik und sonstigem materialistischen Leergut mit sich bringt.
Somit liegt das Ziel des Menschen im Menschen selbst, der losgelöst von äußeren und inneren Zwängen fröhlich das Leben und alles das, was das Menschsein ausmacht, selbstbewusst und selbstbestimmend bejaht.

Also sprach Zarathustra:
Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen. Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf es eines heiligen Ja-sagens: seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich der Weltverlorene.

Resümee

Der Film behandelt die wichtigsten Disziplinen der Philosophie und visualisiert sie auf eine ausdrucksvolle Weise, wie sie wohl kaum zu überbieten ist.
Die Darstellung der Perfektion des Universums (des Ganzen) und als Abbild davon die darin eingebettete Harmonie des Lebens bilden den Rahmen für die zentrale Aussage des Films, nämlich für die Fragestellungen: Welche Position nimmt der Mensch im Universum ein? Stört er die Harmonie des Seins? Ist er überhaupt von Bedeutung? Auf diese Fragen wird jedoch keine Antwort gegeben, denn wie sich die Menschheit weiterentwickeln wird, ist kaum vorherzusagen.
Die Evolution des Menschen zeigt sich hier eng verknüpft mit der seines Werkzeugs. Der Mensch entdeckt das erste Werkzeug und es verändert ihn. Dieser veränderte Mensch verbessert sein Werkzeug, indem er es wiederum verändert. Eine Spirale entsteht, die sich zuspitzt in eine Identifikation von Mensch und Werkzeug: Die Werkzeuge werden zu Funktionen der Menschen, und die Menschen werden zu Götzendiener ihrer Werkzeuge bis hin, dass sie selbst zum Werkzeug, zu einer Art emotionsloser aber dafür funktioneller Roboter werden.
Der Film erhebt jedoch keinen Zeigefinger, sondern lenkt subtil sein Augenmerk auf die Schönheit und Harmonie des idealen Daseins. Und genau im Erkenntnisprozess darum wird sich nicht allein des Verstandes, sondern unterschwellig der Vernunft bedient. So wird der Zuschauer ganz automatisch zum Denken über das just Erfahrene, über das just Erkannte, also über das Denken selbst und somit zum Philosophieren animiert... oder findet – wie ich damals als Kind weil des Philosophierens noch nicht mächtig – ihn einfach nur langweilig.

Letztendlich und hauptsächlich ist der Film selbst eine Erfahrung vergleichbar mit der „Mona Lisa“ von Leonardo da Vinci; ein reines Kunstwerk, das seinen Platz jenseits aller Interpretationen findet.


Norbert Schultheis, Bonn, 2007