Eine kleine Sammlung meiner Aphorismen, Reflexionen, Gedankensplitter, Philosopheleien und sonstigen Eseleien.
Gerne möchte ich sie mit einer Textstelle aus Montaignes hellsichtigen Essais einleiten, welche viel besser den Kontext meiner kleinen Textsammlung umschreibt, als ich da selbst zu in der Lage wäre:
„Meine Auffassung und mein Urteil bilden sich nur mühsam; ich taste, ich schwanke, ich stoße mich, und ich strauchle fortgesetzt; und wenn ich so weit gekommen bin, wie es mir möglich ist, dann bin ich mit mir keineswegs zufrieden; ich sehe dahinter noch Land, das es zu entdecken gälte, aber undeutlich und in einem Nebel, den ich nicht durchdringen kann. Gewöhnlich nehme ich mir weiter nichts vor, als alles aufzuschreiben, was mir gerade einfällt, ganz gleich, was es ist, dabei aber nur die Gedanken zu benutzen, die wirklich auf meinem Acker gewachsen sind. Nun passiert es mir oft, dass ich in guten Schriftstellern dieselben Gesichtspunkte behandelt finde, über die zu sprechen ich mir selber vorgenommen habe, und dann sehe ich, wie schwach und ärmlich, ungeschickt und langweilig ich bin im Vergleich zu diesen Männern, so dass ich auf mich heruntersehe und mir selbst leid tue; und dann befriedigt es mich auch wieder, dass meine Gedanken sich mit den ihrigen begegnen und dass ich wenigstens, weit hinter ihnen, die gleichen Wahrheiten aufleuchten sehe; und außerdem befriedigt es mich, dass ich, was nicht jeder von sich sagen kann, erkenne, welch gewaltiger Unterschied zwischen ihnen und mir besteht; trotzdem lass ich dem, was ich mir da ausdenke, freien Lauf, und ich lasse es so, wie es aus mir herausgequollen ist, und ich verkleistere und flicke die Unvollkommenheiten nicht, die mir bei diesem Vergleich deutlich geworden sind.“
Hier nun meine unbeholfenen Gehversuche in absteigend chronologischer Reihenfolge (also der neuäste zuerst, der elteste zuletzt):
Die juristische Perspektive gilt nie absolut, nicht einmal vor Gericht und vor allem nicht beim Essen.
Der Ohrwurm ist Ritual wider Willen.
„Too big to fail“, übersetzt ins Urheberrecht: „Too big to inherit“. Man befrage die Erben von Böll und Brecht dazu – und als Zoon politikon (nicht) zuletzt sich selbst.
„Making It Explicit“, genau das addressiert nicht Kunst, oder als Verdikt des Verdikts der Schwammigkeit: „Lost in Explication“.
„Auch die hohlste Nuss will noch geknackt sein“ (Friedrich Nietzsche) und dialektisch gewendet: „Auch vom Dümmsten kann man lernen“ (Heinz von Foerster).
Zum besseren Verständnis für Mathematisten und sonstige Vernünftler: Reflektierte Vernunft ohne reflexhafte Emotionen ist wie eine komplexe Zahl ohne ihren Imaginärteil.
„Dümmer als ein Hund“ als Redewendung: Noch zu dumm, um durch pawlowsche Konditionierung zu lernen.
Schon seit geraumer Zeit raunt die Zeit in räumlicher Metaphorik.
Die Ästhetisierung der Stärke ist meist Ausdruck eines repressierten Begehrens nach ihrem vermeintlichen „Recht“. Von Machtmenschen bewusst und strategisch eingesetzt, wirkt sie unbewusst und verdrängt in denen attraktiv, die der Macht folgsam folgen, den Maaten-der-Schwäche.
Je tiefer ich in die Philosophie eintauche, umso mehr zieht mich ihre Unterströmung zu den Klassikern.
Der Aphorismus kann die pointierte Kürze der Lyrik noch um Längen erschlagen!
Bei jeder Zitation frage man sich: Warum zitiere ich diesen und nicht jenen? Ja, jener passt nicht so gut in meine Auffassung, aber warum eigentlich nicht, und in welcher passt er anstattdessen? Warum teile ich dann nicht dessen Auffassung? Und wen kann ich alles nicht zitieren, dessen Namen ich nicht einmal kenne, nicht nur, weil er mir nicht geläufig ist, noch viel mehr, weil ihn keiner mehr kennt? Warum kennt ihn eigentlich keiner mehr, aber diesen und jenen so viele? Und wer baute das siebentorige Theben?
Selbstvergrößerung ist eine Streckung mit verringerter Reflektionsfläche.
In jeder Mauer liegt auch die Möglichkeit für ihre Dekonstruktion.
Manche Aphoristiker brauchen für die Formulierung eines einzigen Satzes oft länger als Romanciers für einen ganzen Roman. Nicht immer ist das auch ein gutes Zeichen.
„Mir fehlen die Worte!“, noch schlimmer: „Es fehlen die Worte!“
Der Aphorismus gründet seine Tragfähigkeit im Logos, dort ist er verwurzelt, aber seine Blätter rascheln geschwind im Wind des 'Anderen-zum-Logos', ja auch im Traumhaften und vor allem im Traumwandlerischen und Traumatischen.
Erst wurd ich Mathematiker, weil ich dafür nix zu lernen brauchte, dann Aphoristiker, weil ich ja nix gelernt hatte.
Am meisten lernt man vom Menschen durch seine Abgründe, wenn man sie als Gründe versteht – und vice versa.
Wer sein Herz frei atmen hört, mag Reden über Lungen oder Kiemen nicht mehr lauschen.
Ein Lob der Freiheit gebührt vor allem der Form, in der sie sich mit Sicherheit zu einem gänzlich freilebenden und freiliebenden Vermögen verbindet, durch das beide spürbar lebhaft werden als Blühen und Gedeihen.
Nächtlicher Eintrag in mein Tagebuch, das ich aber nicht führe: Es gibt eine seltsame Verwandtschaft zwischen Dogmatik und Logozentrismus, aber diese Seltsamkeit möchte ich lieber dichten oder malen.
Weil die Grobmaschigkeit einer jeden, noch so ausgeklügelten Systematizität nur den Fang großer Fische vorsieht, werden die Auswerfer derart gestalteter Netze die schiere Vielzahl und die damit verbundene Dominanz kleiner Fische höchstens nur gering schätzen, oder – in ihren großen Erzählungen – schlichtweg leugnen.
Bissige Aphorismen wollen gebellt werden; dem Kyniker sind sie gar ein Gedicht.
Weise wissen auch Dinge, von denen sie wissen, gar nicht wissen zu können, dass sie sie wissen.
Künstlerisch und künstlich, Kunst und Gunst, Können und Gönnen, Sein und Schein... Unterscheidbarkeiten, die unterschiedlich unterschieden werden von unserem unterschwelligen je-meinigen Unter-Schiedshof.
Pädagogische Philosophie: Erst Leeren, dann Lehren.
Namen großer Lehrer blieben mir stets suspekt; entweder blieben die Schüler klein oder die Namen wurden noch größer.
Widerlegungen von Behauptungen sind Enthauptungen, folglich schmerzlich.
Aphorismen behaupten nichts, sondern aphorismisieren.
Ethik muss theoretisch und kann doch nur praktisch sein.
„Ich denke, also bin ich“, dachte ich mal, als ich nicht ganz ich selbst war.
Nennen sich schwimmende Fliegen eigentlich Schwimmen?
Potzblitz! – Donnerknall! Das trifft mich bis ins Mark! Mein Dichten ist nur Redeschwall Und plätschert wie ein Wasserfall Es ist nur Reim und Quark!
Nur wer es vermag, selbst noch eine Lust an der Unlust in deren ansonsten affektlosen Trübsinn zu zeitigen, bleibt lebendig genug, nicht an und in und mit ihr zu verenden. Noch die größte Leere bleibt dann dem verhaftet, durch das sie Leere ist, eben dadurch, dass sie ihre Verhaftung als Fülle und sich selbst als durch sich selbst Gefülltes begreift. Erfülltsein der Leere.
Im Alter verwandeln sich die tragischen Aspekte des Lebens in tragende.
Die Verabsolutierung des eigenen Wertesystems wird leicht als Haltung verstanden; ein Geradestehen und Salutieren vor sich selbst.
Jede sich emporhebende Lebensform lechzt nach ihrer Ästhetisierung. Ästhetik und Ethik – eben nur bei Lebensformen konkret verhaftet – bleiben dadurch stets unterscheidbar, denn Ethik braucht keine ästhetische Form, um durch vernunftlogische, damit verallgemeinerbare Begründungen Geltung zu erlangen im Gegensatz zu idiosynkratisch-ästhetischen (meist moralisch-selbstgefälligen) Darstellungsformen. (Freilich hat auch Ethik eine Form, die sich aber stets als Selbstgenügsamkeit erweist und selbst noch „Demut“ oder „Gelassenheit“ als Würdigunsformen schlicht abperlen lässt.)
In den Tropen der Sprache wuchert das lyrische Gewächs mit all ihren Blüten und Stilen. – „Es geht doch um Ausdruck!“, weiß noch am besten der Pickel!
Als ich die „beste“ Philosophie durchschaute, war sie es nicht mehr – und ich nicht mehr ich.
Adventsgedanke: Wem die tauwetterfrische Traubenlese abhold gerät, dem beginnt die Weinnacht.
Das Gegenteil von Selbstbewusstsein ist sein Beweisdrang.
Erfolg indiziert lediglich ein System, in dem er erfolgt.
Je kürzer ein Aphorismus.
Nur kurzschlüssiges Denken kennt keinen Widerstand.
„Und wie viele Beine brauche ich nun, um nicht mehr kriechen zu müssen?“, fragte der Tausendfüßer den Tausendsassa.
Die größten Differenzen liegen dicht beieinander.
Wissen hat magnetische Eigenschaften: Alles, was ihm zu nahe kommt, gerät in jene attraktive Haft, der schon der religiöse Glaube als unfehlbarer Halt verfallen war.
Die Ästhetik des Intellektuellen ist die Ästhetisierung des Intellektuellen.
Intellekt, der sich verabsolutiert, desavouiert sich zugleich.
Dummheit. In einer psychologischen Hinsicht: Manipulierbarkeit; in einer behavioralen Hinsicht: Folgsamkeit; in einer funktionalen Hinsicht: Steuerbarkeit; in einer organisatorischen Hinsicht: Hierarchie; in einer politologischen Hinsicht: Autokratie; in einer soziologischen Hinsicht: Ideologie; in einer strukturlogischen Hinsicht: Verabsolutierung; in einer theologischen Hinsicht: Anthropomorphismus; in einer epistemologischen Hinsicht: naiver Realismus; in einer philosophischen Hinsicht: Unreflektiertheit; in einer technischen Hinsicht: Fehleranfälligkeit; in einer euphemistischen Hinsicht: Bildungsferne; in einer kognitiven Hinsicht: Dummheit.
Schön dort im Dorf Statt in der Stadt Hinfort vom Ort Den man satt hat
Rede-Wendungen: Der große Meister weiß, still und leise, meist auch weise: „Es ist noch kein steter Tropfen zum Himmel gefallen!“ – oder hat auf seine Weise einfach nur 'ne große Meise!
Der Welt entrücken zeitigt: Der Welt den Rücken zeigen.
Eben das, wozu Verrückte als verrückt gelten, gilt es zu verrücken.
Der Sinn fürs Absurde findet gerade Sinn im Absurden.
Anmaßung kennt kein Maßhalten.
Geltung durch Intellektuelle rührt daher, dass Widerspruch von anderen sie nicht berührt.
Nur das Herausmeißeln war dem Michelangelo die Leistung, nicht aber die Idee dazu: „Der David war immer schon da gewesen. Ich musste lediglich den überflüssigen Marmor um ihn herum entfernen“, war dem Bildhauer gewiss gewiss. Aber wem auch die Idee als Leistung zählt, haut auch gern auf Bilder ein – und lieber noch auf Alben!
Das Wetter kennt keine Rücksicht und rückt die Sicht doch näher und gewisser auf Gewitterwolken, donnert und blitzt es gleich und wehe noch zugleich! – Potzblitz und Donnerwetter nochmal!
Das Dickicht im Dunkeln der Dichtung als Bedeutung zu deuten, so deucht mir, deutet das Deuteln von Deutungen im dicht-dicken Dichter-Dünkel bedeutsam an, deutlich und deutsch gesprochen! – Jaja!
Sich in der Welt – als einen Unort, einer Unordnung, in der man sich (aus-)gesetzt sieht – zurecht zu finden, dort Ort und Ordnung zu schaffen, scheint als Pendelbewegung zwischen zwei Polen stattzufinden: zum einen die Welt nach der eigenen Vorstellung zu gestalten, wenn auch nötig mit Gewalt, oder sich der Welt anzupassen, dann selbst noch mit der Bereitschaft, Gewalt auch zu ertragen. Meine Hoffnung ist indes, dass sich dabei Gewalt abschleift und durch etwas anderes ersetzt wird, was eine integrative Kraft hat, Kontexte, Betrachungsräume zu vergrößern. Dieses 'etwas' könnte man doch immer noch 'Weisheit' nennen, auch wenn der Begriff stark in Anschlag genommen und dabei abgenutzt wurde.
Erkenntnisse aus der Pizzeria: Lecker schmeckt, was flach und breit und rund ist! – Ungenießbar und kaum zu schlucken ist hingegen das Schwere mit seinen vielen Ecken und Kanten! – Ach, wie steht mir wieder der Sinn nach Pizza und nach ihrer Form!
An Ayn Rand: Streikten sämtliche Unternehmer mit Ellenbogen, würden die Menschen mit Rückgrat ihre Arbeit tun – und dies aufrechter.
Der Zeitgeist erzieht zum Ersinnen und fördert doch nur zuvörderst den Diebstahl.
Bei manchen reicht Armut so weit, dass sie sich selbst Höflichkeit und Freundlichkeit nicht mehr leisten können (oder 'wollen' – aus der Sicht des Fuchses, für den sie sich gerne halten).
Die Affirmation des Mephisto, eben jenes Geistes, der zugleich bestätigt, wenn er sagt, dass er stets verneint, ist zugleich der Widerspruch des Philosophen, wenn er nur allzu bereitwillig die Rolle des Advocatus Diaboli annimmt und dabei denkt, im Sinne des Logos erschöpfend zu reden.
Je besser es gelingt, Gefühle in Sprache auszudrücken, umso näher kommt man ihnen – aber desto mehr entfernt man sich auch von ihnen. Sprache ist dann wie ein herannahender Pfeil, der versucht, die ganze Scheibe zu treffen. – Musik (und auch Lyrik als gewissermaßen „musische Sprache“ und insgesamt Kunst) ist darum auch mehr ein Umarmen der Scheibe, und Mystik lässt sie gleich selber sprechen.
Das Rundlaufen der Propeller lässt sich am besten dann erkennen, wenn man sie nicht mehr rotieren sieht, so auch ihre Schläge. – Jede Gesellschaft erzeugt in ihrem Rundlaufen auch ihre je eigenen Propellerschläge, die sie stets wie ihr eigenes Funktionieren verbirgt, möchte sie emporfliegen. Was dabei zu Grunde geht, fällt und prallt auch genau dort auf. Die Güte von Gesellschaftsformen zeigt sich immer erst am Grund und Boden, im Ausmaß der Spuren, die sie dort nach ihrem Höhenflug hinterlassen hat.
Noch lieber, als wenn Kunst auch philosophisch ist, ist mir, wenn Philosophie auch kunstvoll ist, ja selbst zur Kunst wird und noch den Logos überwindet – und ihn dabei bewahrt, oder mit Hegel gesprochen: ihn aufhebt. Künstler können ihn in ihrer Schwebe auch gerne fallen- oder noch lieber: liegenlassen.
Wo man immer weniger lernen kann, da soll man – weiterziehn! Der Zug hinfort vom Fort der aufgezehrten Lehren offenbart sich alsbald als Bewahrung davor, selbst von ihnen verzehrt zu werden. Wo man immer weniger lernen kann, da wird man selbst auch immer weniger.
Nach links und nach rechts geschaut: Die Geschichte von Schneewittchen bleibt interessanter als die der sieben Zwerge.
Als der Mensch sich selbst in Gesellschaft einsam fand, war Gott jedoch schon tot.
Eine Ubiquität: Wenn Regeln Urteilskraft ersetzen durch Menschen, die lieber Regeln folgen als deren Grund – und damit auch Vernunft zersetzen.
Manche Vermögen lassen sich was kosten. Manche Vermögen haben ihren Preis. Manche vermögen nur damit zu protzen. Manchmal auch mögen manche ihren Wert!
Die Intelligenzija fliegt hoch oben über das Soziale hinweg, mit ihr aber noch mit Seilen und Seilschaften verbunden. Kreisbewegungen in höchsten Kreisen!
Der Lebensweg besteht aus vielen kleinen Wegen, die zu bestehen sind .
Vom schlichten Weg: Nicht alles, was erfolgt ist, ist Erfolg. Manches ist schlichtweg... besser!
Kirchenväter, Volksvertreter, Hamsterradverkäufer: Als sie ihrer Sache dienten, dachten sie zugleich, gut ( = mit sich) zu sein.
Es bedarf keiner Schlüssel, Schlüsse zu ziehen. Der Weg der Bezüge ist niemals verschlossen.
Und allenthalben fallen bunte Blätter Der Herbst entzupft sie wie im Liebesspiel Das jüngste Blatt folgt obdachlos im Wetter Der rauen Winde leise seinem Ziel
Follower als massenmediale Funktion: Ich folge höchstens nur sehr ungern! – Die Folgen nehme ich dafür gerne in Kauf, sollten welche folgen. Die Follower genauso, sollten welche folgen.
Der Blick der Dummen ist meist böser als dumm. – Und dann auch hässlicher.
An der Inflation zerberstet noch die beste Qualität.
Den Blick nach draußen – Mond, Sonne oder Wolken – trennt stets das Fenster.
Der Zug zum Leben spannt umso stärker, je besser es verankert ist an seinem Ende.
Der Zerberus der aktuellen Höllenwelt ist der innere Schweinehund. Und nur die heldenhaften Zeitgeister wollen ihn besiegen – als Auftrag ihrer Zeit.
Der Pfahl, den man sich selbst ins Herz rammt, schmerzt zumeist am meisten.
Das Plagiat ist wichtiger als der Autor.
Lieber Kopflast als Herzlast.
Lichter der Großstadt Wach dank Krach, Durst der Stille Enjoy the Silence
Seine Individualität im Kollektiv zu verlieren oder zu finden: Das markiert den Unterschied zwischen Individualist und Individuum.
Der Aphoristiker mag den Kometen samt --Schweif. Ohne Um- und Aus-.
Bei jeder neuen Unterscheidung gibt acht: Wohin wandert der Vorzug – und warum?
Wer eine Grenze setzt, sollte dadurch auch immer eine Türe öffnen.
Ein leeres Zimmer ist eine Leinwand, die mit Gegenständen bemalt werden möchte.
Günstige Wohnungen werden leider meist mit ungünstigen Umfeldern bezahlt.
Auch Reife muss reifen.
Dort, wo Gedanken geschleudert, Sätze geworfen, Projekte zu Projektilen werden – dort allein mag mich Literatur treffen!
Es ist das Los des Alters, dass es der Jugend folgt.
Man trinkt, nicht obwohl es schlecht ist, sondern weil es schlecht ist. Ein Kohärenzbegehren.
Es ist ein Verbrechen an sich selbst, sich so sehr zu verbiegen, dass man bricht.
Der Blick nach innen Voller Wege und Zweige Ein Fenster zum Tor
Nicht reflektierte Solidarität ist Mitläufertum. Ein folgenreiches Gefolge.
Der Sturm fürchtet keine Eskalation, denn er will sich eben nicht erhalten! – Nach ihm die Sintflut.
„Wer mich ernst nimmt, hat mich nicht verstanden!“ – Letztes Wort eines heiteren Philosophen.
Das Katapult schleudert Gedanken aufrecht in die Höh' und trifft doch immer nur sich selbst. Kapitulation vor einer schrägen Welt.
Luzifer redete mit Engelszungen, denn er war ja nicht auf den Mund gefallen.
Im Büro erhallte: „Seid mehr selbstbewusst!“, doch gemeint war: „Seid mehr böse!“
Es ist dieselbe Macht, mit der man Positionen erreicht, die mit immer größerer Verantwortung einhergehen, mit der man auch dieselbe Verantwortung von sich weisen kann, wird sie einmal eingefordert.
Wem es nach Geltung verlangt, der strebt auch nach Macht! – Wie, etwa jenseits von Gut und Böse? – Ja, es ist doch erst die Macht, die diese Differenzierung erzeugt.
Der Aphorismus solle auf Relativierungen verzichten. Häufig stimmt das auch.
Sich selbst oder andere als Ausnahme zu betrachten ist oft nur Verabsolutierung der Hinsicht, aus der dies so erscheint.
Nur wer erlebt, der lebt. Und wer dies auszudrücken versteht, der lebt – nochmal.
Die Ausnahme: Glücklich sein und klug. Der Normalfall: Glücklich sein, weil man denkt, man sei klug.
Querdenker und -ulanten, die einen Knall haben, haben den Schuss dennoch nicht gehört.
Meine religiöse Offenbarung: Offenbar folgen nur Blinde Sehern.
Manche Darsteller betreiben Schauspiel, manche Schaulust, andere Schauflucht.
Intellektueller Fehlschluss: Wer viel überlegt, ist überlegen.
Wer viel denkt lenkt Wer zu viel denkt verschenkt Zeit die unentwegt vergeht und drängt Wer zu viel hat gedacht macht Halt und lacht und schwenkt mit großem Glück zurück und lebt unumschränkt das Leben
Intertextuelle Richtigstellung: Am Abend wird der Trübe heiter.
Bezeichnenderweise erweisen sich Zeichner als Zeiger von Beweisen von Zeichen als Verweise auf weitere Zeichen in besonderer Weise.
Nur wem die Kreativität ist zu eigen, vor dem ist der Künstler gewillt sich zu neigen.
Das Ich ist ein Schwimmen im Wir. Und nur in diesem fluiden Medium finden die Schwimmenden Halt und Trieb. Sonderbar die Bergsteiger in ihrem Begehren nach festem Grund in schwindelnder und einsamer Höhe.
Symbole dienen der Vermittelbarkeit von Unmittelbarem. Das Unmittelbare unmittelbar zu vermitteln, nennt sich Liebe.
Offene Gesellschaft: Alle aufdringlich. Geschlossene Gesellschaft: Alle zudringlich. Gesellschaft: Alles dringlich.
Vor vorgegebenen Formen ergeben sich Inhalte schnell.
Wer den Kalauer nicht belacht, hat zuvor zu viel gedacht.
Die Bedeutung von Kunst ist die Abweisung von derlei Ansprüchen an sie.
Kunst sagt nichts aus. Sie spricht an.
Der frühe Vogel fängt den Wurm. Die Eule diesen später – oder eben jenen.
Metrik ist Lyrik in Schranken.
Was zählen Jahre, das träge Tage nicht stunden könnten, in Sekunden Schnelle.
Die Zeit heilt alle Wunden, meint der Volksmund unumwunden. Doch nur der Tod heilt noch den Riss der Zeit, von der er auch nichts will und auch nichts weiter weiß.
Zuweilen denke ich zu viel, denke ich zuweilen.
Eine Aphorismensammlung, bei der jeder Aphorismus gefällt, besteht aus immer demselben.
Panta rhei! Alles fließt – bergab.
Aphorismen sind wie ihre Autoren. Sie wollen für sich alleine stehen, und doch leben sie am besten unter ihresgleichen auf.
Wer viel weiß, hat auch viel zu vergeben!
Mich gruselt's immer, wenn ich höre: „Der gehört nicht zu uns!“ Ganz gleich, ob drinnen oder draußen, immer hört's sich an wie „Der gehorcht uns nicht! Unserem Innersten – Unseren Regeln!“
Ich weiß sehr vieles nicht. Ich mag es gar nicht alles aufzählen...
Recherche. So lange suchen, bis man findet, was man auch gefunden hätte, ohne zu suchen.
„Es regnet.“ – Keine Handlung, keine Entscheidung. Es passiert. Und dennoch reden Menschen so: „Ich schließe Freundschaft.“ Hieße es nicht besser: „Es schließt Freundschaft in mir.“?
Autoren wollen Sprache beherrschen. Schriftsteller un- und endlich wieder mit ihr spielen!
Ihren Erfolg feiern Menschen auch gerne mittels Ausgrenzung solcher, die sie nicht in derselben Hinsicht für erfolgreich halten. Genau das meint ihnen Erfolg.
Ein Experte ist auch immer Anwalt in eigener Sache.
Das Unvermögen, ohne Leitung eines anderen nicht denken zu können, bezeichnet doch auch ein Vermögen: für viel zu viele Berufe!
Man kann ebensowenig alleine vernünftig sein wie alleine sozial.
Manche Juristen sind nicht gut im Lösen von Rechtsfällen, also schnüren sie Rechtsfallen.
Die meisten Autoren würden besser gelesen werden, könnten sie stets von neuem debütieren.
Im Internet findet man beinahe alles. Selbst muss man nur noch finden, was man suchen möchte.
„Sozialfall“ ist kein Fall von Sozialem, sonst hieße er Anstandsfall.
Das Gären geht dem Begehren voraus.
Leistung. Ein Sammelplatz für homogene Selbstzelebrierer, die den Wunsch nach einem 12-Stunden-Schlaf für therapiebedürftig halten, nicht aber den nach einem 12-Stunden-Arbeitstag.
In der Welt der Quantifizierungen: Das Viele ist das Gute. Das Seltene das Schöne. Und das Geld das einzig Wahre.
Nicht die Be-gabung, sondern die Veraus-gabung entscheidet über die Vergabe von Erfolg. Zu oft auch vergeblich.
Politische Anatomie: Das Herz am rechten Fleck schlägt selten in der rechten Brust.
Die Ahnung. Die erste (in sich selbst noch undifferenzierte) Differenzierung mit der Potentialität zur Ausdifferenzierung.
Es ist eine gewisse Form von Verrückbarkeit, ein Spielraum, in dem ich mich bewegen kann und lasse, der mich verrückt und damit lebendig hält.
Die Soziologie macht verständlich, was die Psychologie beschreibt.
Ein guter Gedanke ist ein guter Gedanke. Er wird nicht dadurch besser, dass ich es war, der ihn zuerst erdachte. Auch und vor allem nicht für mich selbst. Wohl aber wird mir ein schlechter Gedanke dadurch schlechter. Wie nun dieser.
Meine Sprache sprach nicht gut, als ich diese Zeile schrieb. Liegt doch das Glück beim Schreiben indessen in dessen verzückendem Glücken.
Trennung trennt viel mehr als zuvor verbunden war.
Das Leben ist wie eine Achterbahn, oder wie Teilstrecken in ihr.
Die meisten Strahler zeigten sich als Wegeleuchten, die umso weniger hell schienen, je weiter ich voran schritt hin zu noch unbeleuchteten Pfaden.
Lieber als die Erleuchteten sind mir die Beleuchteten, denn sie reflektieren mehr als sie scheinen.
In einer Demokratie, so wie ich sie verstehe, ist eine Mehrheit stets in der Minderheit.
Wenn sich Philosophie mit Politik verschwistert, wird sie wieder Magd.
Es ist nie ein gutes Zeichen, dümmer zu reden als die, die man für dumm hält.
Der Unterschied zwischen Propheten und Philosophen? – Jene leben erst auf, wenn sie auf Mission sind. Letztere, nachdem sie wieder davon abgekommen sind.
Die Waage wiegt, wie sich der Balken biegt.
Nächtliche Gedanken im Vorbeiflug einer Eule: Das Beste zu geben darin, von dem ich denke, gut zu sein, und festzustellen dabei, so denke ich, nicht gut zu sein, ist das Beste dahin, was mir passieren kann.
Menschsein ist nicht einfach und umso schwieriger, je menschlicher man ist.
Ich bin kein Freund des Perfektionismus, es sei denn, er gereicht zum Perfekten.
In Zeiten, in denen das Miteinander wichtiger denn je ist, offenbart sich auch das schlechthin „Böse“ im Menschen um so deutlicher: als Gegeneinander.
Seitdem ich unter Morbus Neologismus leide, will auch mein altes Sprachkorsett nicht mehr so recht passen, und ich muss nun lernen, noch tiefer ein- und auszuartikulieren.
Freiheit ist wie ein gut besuchter Hörsaal, in dem die vordersten und die hintersten Reihen den Lehrstoff nur schlecht verstehen.
Unregelmäßige Steigerungsform: gut, besser, am besten. – Und noch weniger der Regelfall: Gut, Güter, Güte.
Malen ist Dichten mit sichtbaren Farben.
Dogmatik kennt nur das, was durch sie selbst und für sie selbst da ist. Das ist ihre Welt, ihr Ein und Alles. Ihr Ein ist alles.
Gleichheit fürchtet nur, wer in ihr nicht glänzen kann.
Je weiter die Entfernung, umso mehr verschwimmen die Differenzen in der Ferne.
Ich sehe Toleranz als die Möglichkeitsbedingung dafür, dass gesellschaftliche oder kulturelle Positionen nebeneinander bestehen können, die sich auch diametral widersprechen können. Wenn Demokratie diejenige Herrschaftsform ist, in der sich Pluralität entwickeln kann und letztendlich durch diese faktisch beschreibbar wird, dann muss der Reproduktionsprozess desjenigen, was sich unter dem Aspekt der Pluralität generiert, in seiner Eigenlogik Toleranz mitproduzieren, damit sich Pluralität selbst erhalten kann. Daraus folgt, dass aus Sicht eines pluralistisch bestimmbaren Demokratieverständnisses Positionen, Wertesysteme oder Ähnliches nicht zu tolerieren sind, die in ihrer Eigenlogik Toleranz nicht reproduzieren. (Es sei denn, dass sie nicht hinreichend mächtig sind, das Gesamtgesellschaftssystem destabilisieren zu können, wie in privaten und sonstigen geschlossenen Bereichen. Das liegt auch in der Logik des gesamten pluralistisch-demokratischen Reproduktionprozesses begründet, Toleranz zu maximieren und sich selbst gegen Intoleranz zu immunisieren.)
Humor ist der Optimismus des Melancholikers.
Arschlöcher brauchen einen Spiegel, um sich selbst erkennen zu können – wenn sie sich schon nicht als solche begreifen wollen.
Je besser man Sprache beherrscht, umso mehr wird man auch von ihr beherrscht. Vielleicht sollte man auch besser von Partizipation als von Beherrschung sprechen: „Ich partizipiere an Sprache, ich habe an ihr teil.“ – Und dann vor allem: „Ich bin ein Teil all derjenigen, die an Sprache partizipieren, und das macht mich erst zu dem, der ich bin.“
Zahlen leben erst durch den Blick des Menschen, aber sterben nicht, wenn dieser nicht mehr hinschaut.
Geltung ist dasjenige, was sich aus sich selbst heraus stets neu hervorbringt. Das meint auch die Geltung dessen, was es heißt, ein Mensch zu sein. Sie ist das spielende Kind Nietzsches, ein Vergessenhaben und Vergessenkönnen ihrer Genese, ein (auch logischer) Neuanfang von etwas radikalem Neuen, das allein im Hier und Jetzt bei sich selbst und durch sich selbst ist. Insofern kann Nietzsche und Freud nicht weiter voneinander entfernt sein, oder ausgedrückt in der Terminologie Nietzsches: Freud ist der Löwe, der Nietzsches Kind anbrüllt, und dabei nicht sehen kann, was es heißt, vergessen zu haben und fröhlich zu spielen.
Der erste Blick über den Tellerrand kann so überwältigend sein, dass man die neue Weite, die von nun an vor Augen liegt, für dieselbe Weite hält, die sich insgesamt erblicken lässt. In dieser Phase ist der Horizont noch ein Gaukler, der aber denjenigen die Hand reicht, die noch über den Tellerrand zu steigen wagen.
Ich bin in allem nur mittelmäßig, und selbst im Mittelmäßigsein bin ich nur mittelmäßig.
Leid spielt nie eine untergeordnete Rolle. Ebenso wichtig wie Freiheit und Gerechtigkeit ist daher Fürsorge, vor allem als Ausgangspunkt für Gewaltlosigkeit. Eine Fürsorge, die von übergeordneten Prinzipien oder Werten abgeleitet wird, wie beispielsweise aufgrund von Loyalität oder eines Pflichtbewusstseins, möchte ich eine „bedingte“ Fürsorge nennen, im Kontrast zur einer „unbedingten“ Fürsorge als Ausdruck und Zeichen von Liebe.
Bei vielen ist das Geschlecht die salienteste Eigenschaft anderer Personen, bei einigen die Haarfarbe, bei noch zu vielen die Hautfarbe. Bei mir, so tritt es immer deutlicher zutage, ist es Vernunft gepaart mit Herzlichkeit.
Einsicht ohne Vielseitigkeit führt zur Ein-Sicht.
Ist der Denkrahmen einmal verschoben, heißt es direkt Amen! oder man sei verschroben. Erst die Zeit nach vielen Tagen macht aus ihm den neuen Rahmen.
Ein Unvermögen der Berücksichtigung als eine bedenkliche Form mangelnden Denkvermögens präsentiert sich am liebsten als Ignoranz.
Die Überwindung des Ichs, ohne dabei sein Ich zu verlieren, ist vielleicht die schwerste und vornehmste Aufgabe des Ichs am Ich und am Wir.
Meine Geschwister im Herzen sind zumeist dieselben beim Scherzen und auch bei meinen Schmerzen.
„Ich möchte lieber entstanden sein als verstanden zu werden!“ – So spricht die Philosophie zu sich selbst auf ihrem Weg über sich hinaus, verständlicherweise.
Dort wo vornehmlich Formen sprechen, wird auch vornehm und förmlich gesprochen. Bei förmlich geformten Inhalten ist das Verständnis stets angehalten, innezuhalten.
„Zitieren ist die Fähigkeit, mit den Worten eines anderen zu reden, ohne ihn dabei zu vereinnahmen, aber auch ohne ihn nur für sich selbst sprechen zu lassen“, dachte ich mal.
Im Angesicht des Philosophen geriert sich dessen Aspirant gerne wie ein Kind im Schoß seiner Mutter, das gewohnt ist, alles stets mundgerecht serviert zu bekommen.
Noch lieber als Häuser und Heime bauen sich Menschen Kanzeln, Katheder und Kathedralen. – Dabei reden sie am redlichsten in ihren Häusern und Heimen.
Zwischen Unterscheidung, Unterscheidbarkeit und Unterschied zu unterscheiden, gelingt Menschen unterschiedlich gut.
Wenn sich kristalline Intelligenz in Kristalle verwandelt, dann schimmert sie nur noch.
Ich betrachte Freiheit als einen Möglichkeitsraum, in dem ich über mich selbst verfügen kann. Wenn ich ihn expansiv belebe und dadurch andere Freiheitsräume einschränke, werde ich schnell einen faktischen Gegendruck erzeugen, der meine eigene Freiheit einzuschränken bedroht. Es entsteht nunmehr eine Sorge um die eigene Freiheit, und mein Freiheitsraum verengt sich auf die Verteidigung desselben. Diese Engsetzung durch Fokussierung bleibt aber meist blind gegenüber sich selbst, und all die anderen Möglichkeiten, mich zu entfalten, entfallen dann zumindest teilweise. Freiheit in Harmonie mit allen anderen Freiheiten und den Freiheiten aller anderen, eben nicht im Kampf gegen sie, ist dann die beste Wahl, Freiheit insgesamt zu vergrößern.
Der Mensch ist das, was er ist, erst durch seinesgleichen. – Auf abstrakter Ebene genauso wie auf konkreter, und diese dann aber auch in problematischer Hinsicht, eben wenn sich Seinesgleichen seines allzu gleich wird.
Ist etwas noch nicht Kunst, ist es verbesserungswürdig.
Philosophie ist die Kunst, die Philosophie und die Kunst der Philosophie zur Deckung zu bringen.
Es ist nie zu spät, zumindest für manche nicht, sich mit Argumentationstheorie, kognitiven Verzerrungen und generell dem eigenen Denken leitende Strukturen zu befassen; so dass man immer bemüht bleibt, sich zu fragen, warum man diese oder jene Überzeugung hat, um dann zu versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu formulieren. Durch dieses Innehalten kann es gelingen, das Substrat des eigenen Denkens zu erforschen und zu erhellen, und sich somit eine innere Instanz zu schaffen, aus der heraus man sich selbst stets kritisch befragen kann. Gute Wissenschaftler und Philosophen können sich selbst somit der größte Kritiker sein, ohne diese Stimme allzu laut werden zu lassen, sonst könnten sie womöglich am Ende gar keine Meinung mehr vertreten, schließlich vernehmen sie in sich doch stets direkt zahlreiche Gegenargumente. Dies kann dann zu einer Art „philosophischer Aphasie“ führen und schlussendlich zum Bau eines Elfenbeinturms, in dem man sich verschanzt und dann versäumt, zu wichtigen Diskussionen Stellung zu beziehen. Damit überlässt man aber das Feld denjenigen, die stets nur mit einer Stimme sprechen können oder wollen.
An alle Lichtgestalten und sonstigen selbst gekürten Entwicklungskünstler: Wer sein Licht nur von innen her flutet, der wird auch von innen her blind.
Ideologen sind Menschen, deren Psyche so konstituiert ist, dass ihr Gefühl der Richtigkeit ihrer Überzeugungen als überwältigend erlebt wird und daher keinen anderen Schluss zulässt, als sie für die Richtigkeit selbst zu halten. Fanatismus resultiert dann aus dem übermächtigen und unablässigen Drang solcher Personen, den verbleibenden inneren Zweifel radikal auszumerzen.
Wenn einstige Errungenschaften zu Selbstverständlichkeiten, dann zu blinden Flecken werden, drohen sie tatsächlich zu verschwinden.
Der Intellektuelle erklärt, was der Künstler vollbringt.
Dem Philosophen womöglich gelingt, was der Künstlermensch nie nötig hatte: dem Erwachsensein zu entwachsen.
Dort wo Gänse schnattern, schweigen Kinder.
Ich liebe angewandte Logik, am liebsten die Umformung von Kontravalenzen in Konjunktionen.
Wenn die Rezeption eines Aphorismus nicht besser ist als er selbst, dann ist er nicht gut.
Individualismus ist eine Art Stressreaktion der Gesellschaft, die eine Neuorganisation derselben ermöglicht. Dadurch, dass er dysfunktional gewordene Gesellschaftsstrukturen auflösen kann, ist er adaptiv. Er kann aber auch für eine Gesellschaft zur Gefahr werden, wenn er sich chronifiziert, wenn er sich selbst zur Gesellschaftsform aufspielt und beginnt, sämtlichen sozialen Kitt aufzulösen, etwa durch das individualistische Verlangen, rein subjektiv gedachte Freiheit als Wert absolut zu setzen. – Dies zeigt sich auch als typisches Suchtverhalten chronisch gestresster Liberalisten im Modus überbordender Selbstverwirklichung, genauer: im Modus permanenter Selbstüberforderung, stets begleitet von latenten Selbstzweifeln streng nach dem Dogma: „Ich leiste, also bin ich (mehr wert)!“
Philosophieren beginnt, wenn man genau und genauer dorthin schaut, wohin alle anderen schauen, gerade dann, wenn alle in verschiedene Richtungen schauen.
Hoffnung ist die Naivität des Weisen und somit ein Stück weit Weisheit.
Die Welt: Ein kunterbuntes Kaleidoskop aus Kipp- und Vexierbildern! – Wer möchte in diesem vielschichtigen Möglichkeitsraum pluraler Sinn- und Kontexterzeugungen nicht erneut zum spielenden Kinde heranreifen zum Trotz aller Vereindeutigungspraktiken sogenannter Erwachsener?
Aphasie ist bei vielbelesenen Philosophen weit verbreitet. Kein Wunder also, dass nun die mitteilsame Zweitbesetzung ihre Rolle praechtig und blendend spielt.
Vor allem rezente Funde belegen: Der Missing Link zwischen Affe und Mensch ist der Mensch.
Erfolg gibt nur sich selbst recht, nichts anderem.
Präzision ist der Rasenmäher der Sprache. – Und je besser und ordentlicher der Rasen gemäht ist, umso eher hält ihn der Wissenschaftler für objektiv erforschbare Natur.
Ach, wärst du nur ein besserer Schauspieler, du Authentischer!
Philosophieren ist für manche die Kunst, über den Ozean zu reden, obwohl sie nur einmal kurz mit dem Fuß beim sonnigen Strandspaziergang mit ihm in Kontakt getreten sind. Auch wenn dabei hell scheinende Gedanken aufblitzen können, ist es doch meist die sichtbare Oberfläche des Ozeans, die am stärksten reflektiert, oder dazu anregt. Doch aus der Perspektive des Tiefseetauchers ist alles an der Oberfläche seicht. Hierbei verhält sich der Taucher zum Wasser wie der Philosoph zur Lektüre: Beide müssen in ihre Materie eintauchen – vorzugsweise mit langem Atem und keiner Furcht vor Finsternis.
Es gibt Menschen, die scheitern selbst noch am Scheitern. Welch ein Missklang für ihre Ohren: „Hör auf zur rechten Zeit!“
Wer glaubt, in einem Dschungel zu sein, der greift auch gerne mal zur Machete. Ein Bärendienst für jede Umgebung; in der Tugendsprache des Leistungsmenschen: sich durchkämpfen.
Nicht der Gipfel ist das Ziel eines guten Bergsteigers, sondern der geglückte Auf- und Abstieg.
Manche Menschen sind wahre Zauberer: Sie verwandeln feinste Rinnsale in reißende und unüberwindbare Flüsse und werden dadurch augenblicklich auch viel größer und augenscheinlich auch unüberwindbar. Was für ein Spektakel! – Was für eine Illusion!
Das Interesse an einer Sache macht die Mühe mit ihr erst zur Leidenschaft, oder ausgedrückt in einem mehr zeitgemäßen, zelebrierten Leistungsdenken: zur „Herausforderung“.
Argumentieren ist aller Philosophen Anfang. Ja, ihr Anfang! – und was ihr Ende?
Mein humanistisches Glaubensbekenntnis: Trotz der Vielfalt an Perspektiven und Beschreibungen, mit denen man die Wahrheit, bzw. dann plurale Wahrheiten relativ zu ihnen setzen kann, und trotz aller Ebenen, die zwischen einem Physikalismus und einer Lebensweltphänomenologie Wirklichkeit zu fassen versuchen, und unter Einbeziehung des Denkens, wie es aus einer vielschichtigen und reflexiven Verflechtung von Operationen nach formalen, materialen und funktionalen Logiken diese Vorstellungen von Wahrheiten und Wirklichkeiten organisiert, findet mit und in diesem Organisieren auch zugleich eine Priorisierung statt, mit der man diese Vielzahl an Weltbildern nach Plausibilitätskriterien sortiert. Im Denken, zumindest in diesem reflexiven Denken, das sich dieser Erkenntnis verpflichtet fühlt, zeigt sich das Vorziehen eines bestimmten Weltbilds nur sehr zögerlich und stets unter Vorbehalt. Jedoch offenbart es sich ganz in der Haltung einer Person zur Welt, und vor allem zeigt es sich in ihren Handlungen – in ihren unbewussten noch mehr als in ihren bewussten, intendierten. Ab einem bestimmten Punkt der Psychogenese zerspringt gewissermaßen dann das Weltbild einer Person als ein Ganzes, und ihre Haltung mitsamt ihrer Priorisierung und ihrer sich selbst organisierenden und kognitiv flexiblen Denkweisen wechselt in Angemessenheit zur jeweiligen Situation. Mir scheint, dass trotz aller gegenwärtigen politischen Gegenentwicklungen sich solche pluralistisch gesinnten und global sensibilisierten Menschen immer häufiger entwickeln. Das gibt mir Mut zur Hoffnung, dass in einer nicht allzu fernen Zukunft ein Wendepunkt erreicht werden kann, an dem sich die komplette Menschheit auch als eine solche versteht und sich nach Prinzipien der Fairness und Gerechtigkeit, die sie jeweils kontextabhängig selbst hervorbringt, selbst organisiert; in der dann alle (zumindest hinreichend viele) Menschen jeglicher Couleur sich gegenseitig sowohl in ihrer Gleichheit als auch in ihrer Andersartigkeit anerkennen und respektieren. – Amen.
Keine Erkenntnis ist so tief, keine Gedanken so reichhaltig und keine Weisheit so umfassend, dass man sie nicht auch überstrapazieren oder verdrehen könnte. – Dieser Gedanke gewinnt im gleichen Maße an Bedeutung, wie er vernachlässigt wird.
Manche Philosophen sollten sich ein wenig in der Kunst des Grillens üben: Dem Drehen und Wenden dann ein Ende machen, wenn's am besten schmeckt. – So wird selbst deren schwerste Kost gut verdaulich, und dabei nicht zu mager und vor allem nicht zu zäh.
Zur Tiefgründigkeit als Hellsichtigkeit des Denkens: Wer seine Lichtstrahlen stets bündelt, um somit tiefer und konzentrierter und fokussierter in die Materie hinein zu leuchten und dabei nur deren Brennpunkte im Blick behält, wird schnell blind.
Gedankengang aus der Welt der Ökonomie: „Die Modelle sind richtig, nur der Mensch ist falsch. Also lasst uns den Menschen an die Modelle anpassen!“
Der Verstand dient dem Erkennen, die Vernunft dem Anerkennen.
Das größte positive Feedback über uns als Person durch andere und auch durch uns selbst erhalten wir dadurch, dass stets wir es sind, die es interpretieren.
Das Verstehen im Verständnis für einander ist mir das liebste.
Menschen zeigen vielmehr Formen einer „Verhärtung“ anstatt der „Härte“, angefangen bei „Starrhalsigkeit“ anstelle von „Unbeugsamkeit“.
Das Vergessen ist wie das Entrümpeln einer Abstellkammer. Man entsorgt nicht nur die unnützen und zur Last gewordenen Sachen, es macht auch wieder den Blick frei für die behaltenswerten Dinge. – Genauso dient der Genuss von Alkohol nicht nur dem Ent-Sorgen, dem Vergessen, sondern vor allem auch dem Wiederfinden, dem Sich-Erinnern.
Die tiefsten Narben sind Erinnerungen, Engramme, die das Leben zeichneten.
Das Lesen von Büchern längst Verstorbener ist meine Art der Geisterbeschwörung.
Beim Erkennen von Dilettantismus liegt der Dilettantismus häufig im Erkennen.
Aus der Sicht der Hoffnung und der Möglichkeiten: Lieber ein Unverständnis als ein eindeutiges, einseitiges, einzementiertes Verständnis.
Solche Menschen, die in ihrem Denken die binäre Logik bevorzugen, die sich demnach am liebsten an den Werten „wahr“ oder „falsch“ orientieren und die sich auch sonst zumeist als Schwarz-Weiß-Seher zu erkennen geben, können zumindest noch gute Programmierer oder Wissenschaftler werden. Aber bei den unären Denkern, die nur einen Wert kennen und anerkennen: „zugehörig“ bzw. „identisch“ (oder eben nicht – alles andere wird nur über diesen einen Wert definiert); also bei solchen Menschen, die sich am liebsten am Eigenen orientieren und die sich auch sonst durch eine identitäre Sicht bewegen lassen, sehe ich auch nur schwarz.
Es steckt viel Kleines im Großen und viel Großes im Kleinen, je nach Blickwinkel und Abstand. „Ist es groß? Oder ist es gar ganz klein? Oder kann es bloß auch nur ganz anders sein?“ Wem die Einnahme vielfältiger Blickwinkel und Abstände schwer fällt, kann sich darauf wohl keinen Reim machen.
Satzzeichen sind Raststätten für Gedanken. –
Entweder erblüht in der Ehe wahre Freundschaft, oder sie verwelkt.
Nur dort, wo der Boden keinen festen Grund hat und keinen festen Halt bietet, geht der Philosoph seinen Weg, oder besser: tänzelt der Philosoph seinen Weg entlang ohne feste, sicher geglaubte Standpunkte. Man kann sich die Philosophie, so wie ich sie verstehe, vielleicht am besten als ein Tanzen auf Eisschollen vorstellen, bei dem man merkt, dass die Eisschollen unterschiedlich guten und unterschiedlich langen Halt bieten, bis man zur nächsten tänzeln muss und dabei ein Gespür dafür entwickelt, welche Eisschollen am besten tragen. Das macht das Tänzeln erst zum wahrhaftigen, leidenschaftlichen Tanz.
Zwischen „wertvoll“ und „wertschöpfend“ klaffen inzwischen Welten. Aber es heißt auch schließlich „Wirtschaft“ und nicht „Wertschaft“.
„Ich will so aussehen, wie ich mich fühle!“ proklamieren Junggebliebene vor Schönheitsoperationen und Anti-Aging-Behandlungen, und geben doch nur von sich preis: „Ich will so aussehen, wie ich gereift bin!“
Es gibt Flecken, an denen möchte keine Farbe haften, nicht einmal Humorschwarz.
Plagiate sind Embleme von Gesellschaften, in denen man kaum etwas Neues zu sagen weiß, in denen aber lobgesungen wird: „Lang lebe die Innovation!“
In jeder Ehrung liegt auch eine Verklärung, aber eine von Herzen.
Klein zeigt sich alles, was vergöttert, oder gar nichts preist.
Manchmal habe ich Gedanken, die ich selbst nicht vollends verstehe. Sie sind auch mehr Empfindungen als bloße Gedanken, aber als Beschreibung reiner Empfindungen fehlt mit dann doch der kognitive Aspekt des Gedankens. Wenn ich sie mir dann gänzlich verständlich machen möchte und sie in Sprache zu fassen versuche, habe ich stets das unbefriedigende Gefühl, dass dabei etwas verloren gegangen ist. Dann werde ich meist missmutig darüber, dass ich über kein künstlerisches Talent im Sinne eines kreativen Ausdrucksvermögens verfüge; denn genau die Fähigkeit, diesen Gedankenempfindungen angemessenen Ausdruck verleihen zu können, sie gewissermaßen „verlustfrei“ objektivieren zu können, macht für mich das Wesen des Künstlermenschen aus.
Unter „mentalen Repräsentationen“ verstehen Philosophen auf externe Inhalte gerichtete mentale Zustände wie z.B. innere Bilder von Wahrnehmungen oder Erinnerungen, oder mentale Zustände von Wünschen oder Überzeugungen. Sie sind aber keine Abbilder einer externen Wirklichkeit, sondern praktische Informationen mit intentionalem Gehalt, d.h. durch Interpretation von Daten und deren Mustern generierte variable Dispositionen zu einem möglichen oder faktischen Sichverhalten, Handeln oder Wirken.
Jede Forderung nach Präzisierung impliziert ein: „Ich verstehe nicht genau!“ – Künstler sollten dieser Bitte nicht nachkommen, sonst werden sie nie genau, zumindest nicht genug verstanden.
Ich mag Menschen, die nicht viel reden, aber wenn sie reden, viel sagen.
Wer keinen Inhalt hat, glättet Oberflächen.
Was machen Schafe? – Sie blöken. Und Ziegen? – Sie meckern. Bei manchen Exemplaren sagt man auch etwas vornehmer: Sie jubeln bzw. sie nörgeln, und bei deren Auslese ganz gehoben: Sie applaudieren bzw. querulieren. Aber es bleiben stets noch Schafe, die applaudieren, und Ziegen, die querulieren.
Meine kleinen geistigen Zeitreisen: Diskutieren mit Kant, Disputieren mit Platon, Schwadronieren mit Nietzsche und Pokulieren mit Schopenhauer.
Weil die Seelen so klein sind, ist das Leid so groß.
Talent alleine reicht nicht aus, auch nicht gekoppelt an Fleiß, Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen. Mindestens genauso wichtig ist die Urteilskraft, mit der man situativ entscheidet, wann das Talent einzubringen ist, und wann besser nicht.
Wer nicht kreativ ist, korrigiert.
Es wird so lange auf einem Holzweg getrampelt, bis er wie in Stein gemeißelt aussieht.
Es ist auch viel Wirkung im Unvermögen. Leider.
Wer nach Einsicht handelt, handelt zumeist auch mit Zuversicht.
Ich bin mir selbst nicht treu, denn meine Charaktereigenschaften machen häufig Seitensprünge – vor allem die guten. – q.e.d.
Es steckt keine Erbärmlichkeit im Erbarmen – und auch kein Fluch im Flüchtling!
Wer nur seinen Kopf bildet, aber nicht sein Herz, bleibt ein Idiot. – Lieber noch sind mir die Dummköpfe als die Dummherzen.
Eine Abwertung folgt viel häufiger einem Unverständnis als einem Verständnis.
Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“: Ein Zwischenstopp hin zu einem höheren „Gut“ und nicht selbst schon Ziel, wie manche Philosophen und selbsternannte Nihilisten und sonstige Wertblinde neuerdings zu glauben scheinen. Das höhere „Gut“ bei Nietzsche liegt als sein Konzept des Übermenschen in der Selbsterhöhung und Selbstbemächtigung des Menschen gemäß seiner angenommenen willensstarken Natur des Menschen, und bei mir in der Überwindung seiner Naturverhaftung, genauer: in der Überwindung der biologischen Triebhaftigkeit mittels der Willensfreiheit und des moderierenden Erkenntnisvermögens des Menschen. Dies aber nicht im Sinne der alten Aufklärer durch Beherrschung qua Rationalisierung oder Lossagung (die ging ohnehin meistens schief), sondern durch Integration, wie sie vor allem in der Achtsamkeitslehre praktiziert wird. Das führt mich wieder zurück zu Nietzsche, denn auch dies ist bereits in seinem Denken angelegt; womöglich trifft es seine Vorstellung vom „Übermenschen“ sogar besser.
Der Stolz auf die eigene vollbrachte Leistung steigert sich mit dem Aufwand, den man in sie gelegt hat – vor allem mit dem unnötigen.
Verwöhntheit ist die erste Stufe von Dekadenz.
Was von Herzen kommt, sucht nach passenden Ohren, um dann veredelt ins Herz zurückzukehren.
Lieber als die Verwendung des weiblichen Genus ist mir die Liebe und der Genuss mit dem Weiblichen.
Gewissen ist eine Form von Wissen: eine Art intuitives Wissen um die Übereinstimmung bzw. Diskrepanz von verinnerlichten Werten bezogen auf das eigene Handeln. Von dieser Art Wissen gibt es auch eine gefährliche Halb-Variante – nicht unähnlich dem Halbwissen, wie Adorno es in seiner Theorie der Halbbildung beschrieb. Und es ist genau dieses halb-gebildete Gewissen, was von vielen Denkern angegriffen worden ist; die „Voll“-Variante hingegen nannten sie auch gar nicht Gewissen, sondern (in Anbetracht der Güte der verinnerlichten Werte, auf die es rekurriert) Weisheit.
Die für mich wichtigste Form eines Reifeprozesses beim Menschen ist seine Fähigkeit zum Ausbau des Gewaltverzichts, der umso mehr an Bedeutung gewinnt, je mehr er sich kollektiv und global manifestiert.
Meine Wettervorhersager-Vorhersage: „Nun haben wir die besten Quantencomputer und verfügen nahezu über grenzenlose Rechenleistung. Und trotzdem können wir immer noch nicht das Wetter von morgen sicher voraussagen! Also lasst uns noch schnellere, noch bessere, noch größere Rechner bauen!“ – Gegen diese verbreitete Form von Besessenheit bedarf es vielleicht eines Laplaceschen Exorzismus.
Manche Fische abseits des Schwarms der Gegenwart sind erst bekömmlich für die Fischer der Zukunft.
Komplex denken bzw. sozial denken, was oft dasselbe meint, bedeutet, keine geraden Linien zu sehen. Linealträger zeigen hier ihre wahre Kunst: Sie zeichnen und zieren, genauer: sie über-zeichnen und redu-zieren.
Dort, wo ernsthaft gedacht wird, wird auch ernstlich gelacht.
Je klarer gesehen wird, umso mehr wird auch verklärt. Und ganz ohne Trübsinn gelingt auch keine Klarsicht.
Dummheit hat viele Gesichter. Fanatismus und Konterfanatismus sind ihre Fratzen.
An der Fähigkeit zum Rundumblick droht ein Menschenherz zu zerbrechen. Wir müssen uns vor allem Träger von Scheuklappen als glückliche Menschen vorstellen.
Ein unbeschwertes Leben führen vor allem Menschen, die keine innere Waage besitzen und darum nichts schwer nehmen, nichts abwägen, ganz nach dem Motto: „Alles oder Nichts!“ oder auch: „Schwarz oder Weiß!“, „Ja oder Nein!“, oder in moderner Form: „Eins oder Null!“
Glück, Liebe, Hoffnung und Zufriedenheit. Wer ließe sein Leben nicht zumindest von einem Pferde dieser Quadriga führen – und sich somit zum Leben verführen?
Individualismus. Einst Rahmen einer fortgeschrittenen Gesellschaft. Bald nur noch Rahmen – und Schranken von Beschränkten.
Es ist schon etwas verwunderlich, dass genau die Dinge, die mir wichtig sind, die in meinem Leben „zählen“, genau die Dinge sind, die sich eben nicht zählen lassen, oder nur sehr schwer, dann zumeist mit brachialer Holzhammerschlagkraft, mit der man Ganzheiten in zählbare Trümmerstücke zerschlägt, gewissermaßen als die Gegenkraft zur Urteilskraft.
„Jeder ist seines Glückes Schmied!“, proklamieren all jene, denen das Glück einst einen tatkräftigen Hammer mit in die Wiege gelegt hatte. Seitdem muss sich das Glück aber immer als Erfolg tarnen, möchte es diese behämmerten Schmiede nochmals beglücken.
Wer die Welt verstehen will, sollte zuvor sich selbst verstehen. Oft hat man dann zugleich die Welt verstanden, zumindest doch sein Motiv dazu.
Wenn Wissenschaft zur Kunst wird, vergrößert sich Wissenschaft, verliert aber an Verständlichkeit. Und wenn Kunst zur Wissenschaft wird, verkleinert sich Kunst, gewinnt aber an Verständlichkeit. – Kunst verbindet durch Synthese, Wissenschaft trennt durch Analyse. Erst wenn sich Wissenschaft und Kunst die Hand reichen, schreiten beide fort, am besten noch in Personalunion.
Halt und Lehre des Leistungsmenschen: Aus besser-sein folgt besser-fühlen. – Für andere bloß Inhaltsleere.
Reiche Menschen erlangen höhere Zufriedenheit durch sozialen Vergleich. Drum tragen sie so gerne teure Markenprodukte – und Altruisten lieber schlichte Kleidung.
Wer über sich selbst lachen kann, der lacht auch über Eitelkeit und Prahlerei.
Viele düstere Seelen sind einfach nur unterbelichtet.
Vornehmlich Kleines fühlt sich leicht von oben herab behandelt.
Aus dem Lehrbuch der Geschichte: Auf den Jubel folgt der Schrei.
Wenn vom Primitiven die Rede ist, denken nur wenige an Tiere und die wenigsten an Pflanzen; bleiben diese doch nur selten unter ihren Möglichkeiten. Und die „Krönung der Schöpfung“? Doch nur die Schöpfung einer Selbstkrönung! – Zumindest bis zur Abwehr eines Asteroideneinschlags...
Vor allem auf praktischer Ebene unterscheide ich zwischen Menschen, die zwischen „gut an sich“ und „gut für mich“ unterscheiden, und denen, die es nicht tun.
Eine weit verbreitete Charakterschwäche ist das vorschnelle Attestieren einer Charakterschwäche.
„Du sollst nicht lärmen!“ klang es aus klugem Munde. Doch das bereits halbtaube Ohr vernahm: „Du sollst nicht lernen!“. So kam es, wie es kommen musste: Lärm und Dummheit auf immer vereint.
Es mag unzählige „Weisen der Welterzeugung“ geben, wie der Philosoph Nelson Goodman einst so treffend formulierte, aber nicht unzählige gleichwertige. Aber wo ist dieser „Blick von nirgendwo“ des Philosophen Thomas Nagel, von dem man aus die Bewertung objektiv vornehmen möchte? Wäre es nicht passender zu sagen: „Der Blick von überall“?
Im Flugzeug „Stadt, Land, Fluss“ zu spielen ist bei Vielfliegern selten, selbst nicht in ihrer Lieblingsvariante „Da war ich schon mal“. – Zu sehr erinnert das an „Start, Landung, Styx“, an die Folgen und Abfolgen des Lebens im Überflug.
Es hängt von der jeweiligen Lebensphase eines Liebenden ab, worauf seine Frage „Willst du mit mir gehen?“ abzielt.
Als bei einem Staffellauf die Ursache den Stab an die Wirkung weiterreichen wollte, fiel dieser unverhofft zu Boden, und das Publikum rief aufgeregt: „Oh nein! Das kann doch nicht wahr sein!“ – Passiert war es trotzdem.
Hat man einmal eine schöne Erklärung gefunden, warum der Mensch denn so ist, wie er eben ist, dies kenntnisreich untermauert und mit Hilfe von Theorien zur Evolution, ja, wie kann man denn dann noch wollen, dass er sich verändert, Altes über Bord wirft, sich noch weiter entwickelt? Das wäre doch wider die schöne Erklärung!
„Bildung ist den Gebildeten eine zweite Sonne“ sagte einst der altgriechische Philosoph Heraklit. Wie? Etwa noch eine Sonne? Das erklärt, warum vor allem Wüstenvölker bei der Religion bleiben.
Es sind nicht nur die lieb gewonnenen Wahrheiten, die zu Barrieren der Erkenntnis werden können, sondern auch die erfolgsverliebten Formen der Wahrheitsfindung. Denn wie Sandsäcke breitet sich überzeugte und übergezeugte strenge Wissenschaftlichkeit in all den Heißluftballons aus, die in die Höhe aufsteigen wollen, um neue Ausblicke zu erheischen, und neue Visionen! Überall höre ich sie rufen, die Prediger der Bodenhaftung: „Das ist doch alles nur heiße Luft! Dort oben gibt es nichts zu finden!“ Und wie sie dabei auf den Boden stampfen, als lägen alle Schätze stets im Boden vergraben. Ja, wer nur die Schaufel hat, der kennt auch nur das Graben.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens inhaltlich zu beantworten, mag mir nicht so recht gelingen. Bei der Art und Weise, wie ich sie beantworten würde, bin ich mir jedoch sicher: Mit Ironie und einer Prise Zynismus, so wie das Leben eben selbst!
Altsein. – Ist das lediglich eine kalendarische Größe, die von einer kalenderfürchtigen Gesellschaft zugesprochen wird? Oder beginnt es erst bzw. schon ab dem Zeitpunkt, bei dem man anfängt, dem Tod zurückzulächeln, wenn er einem mit verführerischem Blicke zuzwinkert?
Die Überschwemmung ist die schlechteste Art der Bewässerung, drum hat man die Kanalisation erfunden. Und je besser die Kanalisation im Inneren eines Menschen ausgebaut ist, umso besser kann er all dasjenige nutzen, was aus seinen ozeanischen Untiefen ans Land will. Man muss erst Kanalbauer werden, um der eigenen Überschwemmungen Herr werden zu können. Doch was sind die besten Kanäle, und wie entstehen sie? Wie und bei wem werden sie gebildet? – Und „wie wäre es, kanalisiert zu sein?“ höre ich den Philosophen Peter Bieri auffordernd fragen und mit ihm alle anderen Meister des Kanalbaus im missmutigen Anblick der sie umgebenden Überflutungen und Überflüsse.
Ich hasse Abk. jeder Art! Und nein! Aphorismen sind keine Abkürzungen! – Ich falte nur gerne der Form wegen.
Vorurteilende Ablehnung ist Faulheit, die zur Fäulnis führen kann. – Nachurteilende Ablehnung ist Vorsicht, die zur Nachsicht führen kann, aber auch zum Nachsehen.
Ein für alle Mal: Ich will nichts vertiefen, wo ich nicht nach Gold grabe!
Der Tod ist die größte Bedrohung für den vitalen Menschen, in dessen Angesicht er sich auf seine wichtigsten Werte besinnt. Im Zeitalter des Überangebots an Lebensmöglichkeiten tut es manchmal Not, sich mit dem Tod zu beschäftigen, um nicht von der Spur zu kommen. Es dient zwar nicht der Beliebtheit, Freunde hin und wieder auf dieses Thema zu lenken, aber es steht im Dienste an der Freundschaft.
Es macht auf mich den Eindruck, dass man als Mensch umso schlechter verstanden wird, je besser man sich selbst in die Lage versetzt hat, die Welt und den Menschen zu verstehen. Menschen verstehen dann umso besser einander, je ähnlicher sie sich sind in der Breite, Höhe und Tiefe ihres Weltverständnisses. Wer sich jedoch allzu schnell ausbreitet, sich entwickelt, läuft Gefahr, bald von niemandem mehr so recht verstanden zu werden. Die Folge wäre dann die Einsamkeit. So erging es offenbar Friedrich Nietzsche, folgt man seiner Erkenntnis: „Ich verwandle mich zu schnell: mein Heute widerlegt mein Gestern. Ich überspringe oft die Stufen, wenn ich steige, – das verzeiht mir keine Stufe. Bin ich oben, so finde ich mich immer allein. Niemand redet mit mir, der Frost der Einsamkeit macht mich zittern. Was will ich doch in der Höhe?“ und auch C.G. Jung, als dieser feststellen musste: „Wenn ein Mensch mehr weiß als andere, wird er einsam“. Nur was kann man dann dagegen machen, gegen die Drohungen dieses beißenden und nagenden Tiers der Einsamkeit? – Sich seinesgleichen suchen oder sich verstellen.
Die Ästhetik ist der letzte Zufluchtsort des Melancholikers, aus dem er sich ein Schloss baut. So kann selbst die Melancholie etwas Schönes werden, und das Schlossverlies wird zum Kreißsaal für Poeten.
Glück ist ein flüchtiger Indikator, der auf die Güte von Entscheidungen verweist, welche mit Blick auf ein gelingendes Leben getroffen wurden. Es ist aber tunlichst zu vermeiden, Glück selbst als Ziel zu setzen, denn die Mittel, die um Glück anzusteuern aufzuwenden sind, sind genau dieselben, die Glück zu erreichen verunmöglichen. Versuche in diese Richtung münden dann zwangsläufig in Süchte, Burnouts, Depressionen, Sinnlosigkeitsgefühlen oder Ähnliches. Auf Ebene der Gesellschaft übernimmt das Ideal der Utopie diese Funktion des flüchtigen Indikators. Um im menschlichen Bewusstsein Utopie erfahren zu können, wird sie kognitiv mit Moral übersetzt und bewertet (z.B. als Gefühl der Gerrechtigkeit, Verantwortung, Freiheit, Solidarität etc.). Moral ist daher aus keiner Gesellschaftstheorie zu eliminieren. Wohl aber gilt hier dasselbe wie beim Glück: Moral ist nur ein Indikator und sollte niemals selbst das Ziel sein, denn alle Versuche, Utopien mittels eines moralischen Kompasses direkt anzusteuern und durchzusetzen, verlangen und erzeugen schließlich repressive Zwangs- und Machtstrukturen und münden stets in autoritäre Gesellschaftssysteme, ganz gleich, wie ideal das anvisierte Ziel zu Anfang war. Sowohl für das Glück als auch für die Utopie gilt daher: Sie sind relativ, indikatorisch und nie von Dauer.
Die Genealogie der Erklärung beginnt womöglich mit der Selbstbeschreibung, mit der Selbstzuschreibung eines Charakters, mit der Erfindung eines Ichs. Denn mühelos und wie von selbst gelingt es dem Menschen, sich selbst zu erklären – oder sich selbst zu erfinden, was dasselbe meint. Je schöner dann die Erzählung, desto schöner das Selbst und überhaupt erst das Selbst: Narro ergo sum.
Wie oft dient die Biologie der Exkulpation des geistig Schwachen, zumeist als Verweis auf innere Triebe oder Leidenschaften. Und wie oft dient der vermeintliche Determinismus der Exkulpation des Entscheidungs-Schwachen, zumeist als Verweis auf ein Schicksal oder eine Vorsehung. Die Kaschierung und Selbstverleugnung der eigenen Schwächen scheint mir einer der wirksamsten Mechanismen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Ideologien zu sein. Und auch ein effektiver Antrieb für Fortschritt – den nennen wir dann aber lieber „Ehrgeiz“ und erleben ihn auch lieber als Stärke.
Für viele bedeutet der „Wille zur Macht“ nicht der Wille zur Selbstbemächtigung, sondern der Wille zum Anhimmeln eines Mächtigen.
Wer Humanität auf Wissenschaftlichkeit reduziert oder begründet ist maximal ein halber Humanist.
Hoffnung ist die Verlagerung des Sinns in eine unbestimmte Zukunft.
Alle Theorie dient letzten Endes nur der Praxis, und was ist schon praktischer als eine gute Theorie? – Selbst die Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis ist schon Theorie für die Praxis.
Ein Mensch, der am Ende einer Sackgasse umkehrt, schreitet der vor oder zurück? – Ich denke, er tut das eine durch das andere. Progression durch Regression ist kein Widerspruch, sondern kommt überall dort vor, wo der Weg nicht gradlinig verläuft und noch unbekannt ist, wie zum Beispiel im Leben und in sonstigen Irrgärten.
Es gibt erstaunlich viele Menschen, die ihr abstraktes Denkvermögen zelebrieren, bei denen aber abstrakte Kunst bloß Unverständnis hervorruft.
Bei genauer Betrachtung findet sich nichts, das allein dadurch besser wird, dass es immer mehr wird, auch nicht die Fähigkeit zum Genauerbetrachten.
Der Löwe sieht nur die eine Antilope, auf die er fokussiert ist. Die Antilope sieht hingegeben alle Tiere um sich herum aufgrund ihrer Umsichtigkeit. Der Augenabstand eines Tieres verrät viel darüber, ob es ein Raub- oder Fluchttier ist, und beim Menschen, ob er Brenn- oder Fluchtpunkte erzeugt, ob er eng- oder weitblickt. Bei ihm liegen diese Augen leider in seinem Inneren verborgen, meist umgeben von schönen Worten, drum heißt es hier: Erkenne dich selbst und erkenne die anderen allein aufgrund deines und ihres Verhaltens!
Nicht denen ist die Welt nicht genug, die sich als zu groß für dieselbe sehen, sondern deren Weltverständnis zu klein ist.
Der Mond ist weiser als die Erde, insofern er den gemeinsamen Schwerpunkt nicht in sich selbst findet und seine dunkle Seite geheim, darum interessant, und seinen Schatten jung und klein hält, den er auch nur selten, fast möchte man sagen: behutsam auf die Erde wirft.
Kategorischer Imperativ des Menschengeschlechts: „Bewahre die Bedingungen der Möglichkeit der Existenz des Menschengeschlechts!“ – Dies als Angebot eines materialen Gehalts für Hans Kelsens „Grundnorm“ (was aber eine Verschiebung seines reinen Rechtspositivismus in Richtung Vernunftrecht bedeuten würde), aus dem die Grundrechte und sämtliche konkretere Normen ableitbar sind. Der vernunftbegabte Mensch ist immer schon ein normatives Wesen und lebt immer schon in einer normativen Welt, die mit ihm gleichermaßen evolviert ist. Er muss sie sich nicht erst herleiten, ohne sie kann es ihn als ein soziales Vernunftwesen gar nicht geben. Menschwerdung geht Hand in Hand mit Vernunftwerdung und der Schaffung und Verfeinerung einer sozialen, symbolisch-sinnhaften und normativen, eben menschlichen Welt. Kulminationspunkt dieser Entwicklung ist das Konzept der Menschenwürde mitsamt den Menschenrechten und der Forderung nach deren bedingungslosen Anerkennung, die freilich auf globaler Ebene noch längst nicht erreicht ist.
Wie öft höre ich: „Der Mensch unterliegt der Evolution. Gier hat einen evolutionären Vorteil. Drum hat Gier durchaus seinen Zweck!“ Das mag nicht ganz falsch sein, aber warum höre ich so selten: „Der Mensch unterliegt der Evolution. Vernunft hat einen evolutionären Vorteil. Drum hat Vernunft durchaus seinen Zweck!“?
Nicht einmal das dümmste Schaf wendet sich an den Wolf, wenn sich der Leithammel nicht genügend um es kümmert. Ganz offensichtlich ersetzt beim Menschen der Verstand nicht immer diesen Instinkt, und dies um so weniger, je lieber noch einem Leithammel hinterhergelaufen wird.
Wie schade, dass die amerikanischen Waffenlobbyisten nicht Wasserpistolen bevorzugen, wie die anderen Kinder auch. Zumindest könnten sie doch die Zielfernrohre auf ihren Gewehren durch Spiegel ersetzen lassen, damit die Schützen ihre mit Hass und Wut besetzten Probleme, die sie beseitigen wollen, noch viel besser erkennen können. Und auch so manchen Besitzern von Kampfhunden wäre mit Blindenhunden deutlich besser gedient.
Wie viele ältere Menschen benutzen Gehhilfen und bräuchten doch nur Richtungshilfen. Und wie viele jüngere Menschen schwören auf ihre eigenen Kompasse und bräuchten viel mehr Stützen.
Einige Wähler scheinen bei ihrer Stimmabgabe der Überzeugung zu sein, „gescheitert“ sei eine Steigerungsform von „gescheit“.
Vernunft ist das Vermögen zur Deliberation sämtlicher Perspektiven, die ein Mensch in der Lage ist einzunehmen. Seine Vernunft wächst demnach mit der Anzahl der Rollen, in die er aktiv schlüpfen, deren Denkweisen er übernehmen, mit deren Blicken er schauen und mit deren Stimmen er sprechen kann, und deren Mediator er dann auch ist. Dieser Gedanke lässt sich mit der folgenden Aussage des Philosophen Wolfgang Welsch wunderbar ergänzen: „Ein Mensch, der nur seinen eigenen Standpunkt kennen würde, wäre kein Mensch und nicht einmal ein Tier, sondern leider nur ein Vollpfosten. Zwischen verschiedenen Perspektiven wechseln zu können, ist eine elementare Fähigkeit vernünftiger Menschen. Für Rationalität genügt eine einzige Perspektive – mit der man dann freilich allzu oft in Sackgassen gerät oder an Mauern fährt. Zweiäugigkeit sollte das Minimum sein.“
Vielleicht sollten nur diejenigen die Zulassung zu einem praktisch ausgerichteten sozial-, insbesondere wirtschaftswissenschaftlichen Beruf erhalten, die sich auch ohne die empathogene Wirkung von Alkohol gerne mal von einem Fremden umarmen lassen. Schließlich gestatten wir es einem Sehbehinderten auch nicht, Berufspilot zu werden.
Glück hat auch immer mit der Fähigkeit des Menschen zu tun, auszublenden, den Kontext klein zu halten, das Komplexe zu vereinfachen oder schon immer als einfach zu betrachten. Ein Glück für die Menschheit ist es, dass manche Menschen diese Fähigkeit nicht besitzen oder nicht gebrauchen wollen.
Wie gut, dass sich durch Bildung auch Geld verdienen lässt, sonst wäre Bildungshunger schon längst als eine Form von Sucht pathologisiert worden.
Rücksichtnahme ist die edelste Form der Berücksichtigung. Alle anderen Formen sind bloß Rückversicherungen, in die man einzahlt, um Schaden abwenden oder bei Gelegenheit Ansprüche geltend machen zu können. Häufig anzutreffen bei zielorientierten Selbstverwaltern, vor allem bei deren Extremform: den ehrgeizigen Selbstoptimierern – ganz so, als ob ihnen Goethes (hier leicht abgewandelter) Spott als Denkanleitung ständig in den Ohren läg: „Mir geht in der Welt nichts über mich, denn ihr seid ihr und ich bin ich.“
In unsicheren Zeiten wählen die Bürger lieber das vermeintlich Sichere, zumeist das Bestehende, ohne hinreichend zu berücksichtigen, wodurch die Unsicherheit denn überhaupt entstanden ist. Ohne Kenntnis des richtigen Kurses und ohne die Fähigkeit zur Kurskorrektur fahren selbst die leistungsstärksten Züge in den Abgrund.
Es ist leider häufig und immer wieder festzustellen, dass diejenigen, die von Mitmenschlichkeit und Menschenliebe am meisten reden, davon am wenigsten verstehen, wenn das Thema sie persönlich fordert. Deshalb reden sie wohl auch so häufig davon, um sich selbst zu täuschen, denn mit Täuschungen haben diese armen Seelen reichlich Erfahrung. Und das auffallend oft in einem religiösen oder spirituellen Jargon mit der verschütteten Kernforderung: „Die Welt dreht sich doch primär um mich, oh Herr, drum hilf doch zuvörderst mir!“ – Für eine praktische Welt der Mitmenschlichkeit und Menschenliebe reicht es eben nicht aus, von sich nur gut zu denken.
Leistung zeigt sich auf mancherlei Weise: Klotzen statt Kleckern, Schreien statt Singen, Ehrgeiz statt Genügsamkeit, Zeit bekämpfen statt Zeit haben – oder generell: Kampf statt Leben und zu häufig leider: Gewalt statt Friedfertigkeit.
Die vielleicht schlimmste Form von Gier ist das völlige Fehlen der Einsicht und des Willens, auf etwas verzichten zu sollen bzw. zu wollen. Sich äußernd als jene innere nagende Stimme des Ichs, die sich bei allen Gelegenheiten in den Vordergrund drängt und nicht müde wird zu fragen: „Was hab' ich denn davon?“
Der Bezug geht dem Bezogenen voraus. Alles konstituiert sich durch seinen Bezug – auf anderes und auch reflexiv auf sich selbst sowie durch das Zusammenspielen seiner Elemente, welche sich ebenso konstituieren, bishin zu den Elementarteilen. An diesem Punkt lasse ich aber lieber den verdienstvollen Physiker Hans-Peter Dürr für mich sprechen, der davon weit mehr versteht als ich: „Im Grunde gibt es Materie gar nicht. Jedenfalls nicht im geläufigen Sinne. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, ständigen Wandel, Lebendigkeit. Wir tun uns schwer, uns dies vorzustellen. Primär existiert nur Zusammenhang, das Verbindende ohne materielle Grundlage.“
Not macht erfinderisch. – Ehrgeiz auch. Freude ebenfalls. Ebenso Vernunft, und am besten niemals ohne diese – könnte vor allem auch der Not vorbeugen.
Das eherne Gesetz der Ökonomie: Je größer der Kuchen, desto unterschiedlicher groß die Stücke. Dabei kommt die Größe des Kuchens doch umso mehr zum Tragen, je gleicher die Größen der Stücke sind.
Amüsant: Ökonomen dabei zuzuschauen, wenn sie Gerechtigkeit berechnen. – Furchtbar: Die Konsequenzen dessen mitzuerleben, wenn sie glauben, es sei ihnen gelungen.
Das Lieblingsspiel der Philosophen: Gewissheiten in Frage zu stellen – das spielen sie aber lieber alleine oder unter sich. Mit anderen macht's zwar auch Spaß, aber die meisten scheinen sich nicht so recht dafür begeistern zu können.
Manche Frau hat gelernt, es als hinreichend zu akzeptieren, dass ihr Mann ein Mammut erlegen kann (oder ähnliche „große Ziele“ erreichen kann), möchte sie nicht als irrational oder überkompliziert gelten. Notwendigerweise. – Und manchen Frauen reicht das tatsächlich. Für sie hat mann die Frauenquote eingeführt.
Es ist nicht der Spiegel, der den Menschen am besten in seiner Wohnung spiegelt.
Rhetorische Ellipsen sind wie Bilder, geschickt angewandt sagen sie mehr als tausend Worte.
Kompatibilität steigert sich mit zunehmender Einfachheit, sprach der Eremit.
Das Staunen führte mich zur theoretischen Philosophie, das Empören zur praktischen Philosophie. Je besser ich die Welt der Natur verstehe, umso mehr erstaunt sie mich, und je besser ich die Welt der Praxis verstehe, umso mehr empört sie mich.
Aus der Erkenntnis, dass Menschen notwendigerweise und darum immer schon von anderen abhängig sind, kann es keine Individualität ohne Sozialität geben, wohl aber eine Sozialität ohne Individualität. Aufgrund meines Freiheitsverständnisses plädiere ich für die verbleibende Form: eine Sozialität mit Individualität, gedacht als ein „postkollektives“ globales Wir, denn alle Kollektivismen sind und waren bislang nur Brutstätten für Autoritarismen oder Totalitarismen. Und vermeintliche Individualismen geben sich als bloße Chimäre mit etwas Scharfblick ebenfalls als (raffiniertere) Form einer solchen Art von Kollektivismus (meist als Konformismus) zu erkennen. – Die Maxime sollte daher lauten: Sei ein „Ich“ und bedenke stets dabei das „Wir“!
Immer wenn die Philosophie zur Magd wird, sei es zu der der Religion, der Politik, der Wissenschaft oder nun in Form des „Chief Philosophy Officers“ zu der der Ökonomie, wird man anschließend und in klareren, aufgeklärteren Zeiten, die Epoche, in der diese Knechtschaft der Vernunft stattgefunden hat, als „düster“ bezeichnen. Hellsichtigkeit bedeutet nicht nur, im Dunkeln sehen zu können, sondern vor allem überhaupt erkennen zu können, ob man sich gerade im Dunkeln befindet. – Aber ach, wem dämmert's schon bei Dämmerung?
Die drei großen Weisheiten der Philosophie: 1. „Erkenne Dich selbst!“, 2. „Werde, der Du bist!“ und 3. „An Kant führt kein Weg vorbei!“
„Musik ist eine Reflexion der Zeit, in der sie entsteht“, sinnierte einst Diana Ross und hat damit auch vollkommen recht. Ich möchte aber ergänzen, dass selbst der Klang der Stimme dem Zeitgeist hinzuzurechnen ist. Denn wie anders sollte es erklärbar sein, warum soviel lauthalses Geschrei an den Spitzen aktueller Charts als guter Gesang empfunden wird?
Es gibt Menschen mit einem wunderbaren Verständnis für komplizierte Sachverhalte, die jedoch keinen Sinn für Komplexität besitzten und schon an den einfachsten sozialen Anforderungen scheitern.
Es gesellt sich schnell zur Lüge die Selbstlüge, zum Glauben die Überzeugung, zum Überzeugtsein die Predigt (im Zeitalter des Internets auch „Kommentar“ oder „Blog“ genannt) und zur Predigt das Selbstüberzeugen – alles als Selbstimmunisierungsstrategien einer verletzbaren und brüchigen Identität.
Denkgebäude unter Denkmalschutz zu stellen ist sehr bedenklich, vor allem solche, die dringend einer Komplettsanierung bedürfen. – Oder um mit den bedachten Worten von Peter Sloterdijk zu sprechen: „Der Hauptwiderstand gegen das Denken besteht im Schon-gedacht-haben.“
All die vielen Einäugigen in der Welt können zusammen nicht, was ein einziger Binokularsehender vermag: Tiefe wahrnehmen. – Es mag das Sprichwort stimmen, dass in der Welt der Blinden der Einäugige König ist, aber dem Beidäugigen gelingt in der Welt der Einäugigen nicht derselbe Aufstieg: Er wird nicht König (verehrt als ein solcher würde er nur schnell gekreuzigt werden), sondern Eremit.
Wenn das Bildungssystem mit dem Virus der ökonomischen Logik kontaminiert wird, produziert es nur noch Wissen, das ökonomisch verwertbar ist, und es entstehen dann Lehrkörper, die nur noch die Vermittlung solchen Wissens für sinnvoll halten. Es tut not, Logik immer im Plural zu denken.
Steigerungsformen der Wertigkeit des Ichs: „Ich bin gut.“ -> „Ich bin besser als andere.“ -> „Ich bin der Beste.“ – oder etwas anders ausgedrückt: Selbstwerterfindung -> Selbstwerterhöhung durch Abwertung anderer -> Selbstwertproblematik (auch oft als zeitliche Reihenfolge beobachtbar).
Männer haben eine höhere Disposition, an Morbus Reduktionismus oder an mechanistischer Kausalitis zu erkranken, als Frauen.
Wenn der Mensch sich mit Affen vergleicht, um sich selbst besser zu verstehen, versteht er nur das besser an sich, was an ihm affenähnlich ist. Bei allem nottuenden Erkenntnisgewinn (vor allem für die Affen) besteht dabei die Gefahr, dass er das aus dem Blick verliert, was an ihm eigentümlich menschlich ist. – Es scheint mir generell so, dass die Methode der Graduierung und Quantifizierung, die durch ihre Vergleichbarmachung so nützlich sein kann (man denke allein an das Geld), ganz allmählich und in umfassender Form den Sinn für Qualitäten trübt. – Zumindest zeigt sie Auswirkungen auf die Urteilskraft bei der Festlegung von Prioritäten (man denke erneut an das Geld).
Alle Steine, die ihr ganzes Dasein nur in seichten Flussbetten verbringen, werden irgendwann mal rund und glatt. Sie verlieren ganz allmählich all ihre Ecken und Kanten, durch die sie sich von den anderen Steinen einst so deutlich unterschieden. – So auch bei den vielen denkversteinerten Menschen.
Philosophen werden vielleicht deshalb manchmal so schlecht verstanden, weil sie seltener von sich selbst sprechen. Auf manche Menschen wirkt dann der fehlende Selbstbezug sehr verwirrend oder unglaubwürdig, und die darin liegende Abstraktheit und Allgemeinheit sieht für sie aus wie ein Turm aus Elfenbein.
Wenn ich ein Messer wäre und mein Verstand die Klinge, die es zu schärfen gälte, würde ich viel schneller erkennen, dass mir das alleine nicht gelänge. Mir wäre dann direkt einsichtig, dass ich dazu einen Schleifstein bräuchte, der härter sein müsste als das Metall meiner Klinge. Diesen finde ich (zurück als Mensch) z.B. immer in geistreichen Büchern und vor allem in Gesprächen mit Menschen, die in gewissen Hinsichten klüger sind als ich. Und ein Messer verwendet die Schärfe seiner Klinge nicht dafür, seinen Wert zu erhöhen, sondern nur, um damit sauber zu schneiden.
Es gibt eine auffallend hohe Bereitschaft, bestimmte Pflichten hochzuhalten und deren Missachtung zu ächten bei solchen, deren alltägliche Praktiken unvermeidlich mit diesen Pflichten zusammenhängen. Sie nennen ihre Pflichten aber Werte, vor allem dann, wenn ein reziprok proportionales Verhältnis zur ihrer Sinnhaftigkeit immer mehr zutage tritt. Ihr Gerechtigkeitssinn folgt auch dementsprechend dem Prinzip: „Ich muss, also soll der andere gefälligst das gleiche müssen!“ – Eine nicht zu unterschätzende Hürde auf dem fortschreitenden Weg einer sich stetig von eigenen Sachzwängen emanzipierenden Gesellschaft, deshalb halten auch vorwiegend Konservative mit einem stabilen Leistungs- und Elitebewusstsein an dieser Denkungsweise fest.
Manche Menschen lesen lieber Bücher als Medaillen zu gewinnen, weil Bücher mehr als nur zwei Seiten haben. Es ist aber schon ein Fortschritt, wenn man überhaupt erkennt, dass jede Medaille stets zwei Seiten hat. Besser eignet sich jedoch als Metapher für einen Rundumblick die Kugel, die man auf genauso viele Weisen betrachten kann, wie man Punkte auf ihr vorfindet oder aufzuzeichnen in der Lage ist. Erkenntnis bedeutet dann, all diese perspektivisch verschiedenen Ausschnitte zu einem runden Gesamtbild zu integrieren, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht so recht zueinander passen wollen – ganz ähnlich wie bei einem Fußballspiel, dei dem die Zuschauer ringsum im Stadion ihr je eigenes und dennoch alle dasselbe Spiel sehen. Doch Menschen, die lieber ihre Medaillen anschauen, für die sie so lange trainiert hatten, polieren am liebsten nur deren Vorderseite, damit sie sich in deren Glanz spiegeln können. – Eine weit verbreitete Form von Ein-sicht.
Nichts offenbart mehr über das Selbst- und Menschenbild einer Person als ihre Argumentation hinsichtlich eines bedingungslosen Grundeinkommens, und auch (nach einer Redewese Marx), wie stark ihr Bewusstsein durch das Sein bestimmt wurde. Beachtenswert und für sozialen Fortschritt unumgänglich sind gerade solche Menschen (wie z.B. damals Marx und Engels, oder heute so unterschiedliche Denker wie Jean Ziegler, Michael Hartmann und Götz Werner), die der einen Seite angehören, aber für die andere, weil trotz allem als die gerechter und vernünftiger erkannte Seite streiten.
Freiheit und Fortschritt sind keine Werte an sich. Wert erhalten sie erst durch die Kopplung an das Soziale.
Es sind genau die Schafe, die am lautesten blöken, die die Stärke des Wolfes bewundern.
Wer egoistisches Denken als kleingeistig betrachtet, muss zuvor erkannt haben, dass Geist weniger eine individuelle als vielmehr eine soziale Dimension hat.
Alle, die sich messen wollen, bringen ihre eigenen Maßstäbe gleich mit, oder nehmen sich direkt selbst zum Maßstab. Ganz sonderbar solche, die mit ihrem höheren IQ als den von Gandhi oder mit ihrem größeren Reichtum als den von Mutter Teresa kokettieren.
Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, feste Fundamente zu errichten, auf die man bauen kann. Die Aufgabe der Philosophie ist es hingegen, brüchige Fundamente zu zerstören, oder das darauf Aufgebaute zum Schwanken und ggf. zum Einsturz zu bringen. Darin liegt deren wesentlicher Unterschied. Insofern sichert die Philosophie das Fundament der Wissenschaft und hält sie in Form – und die Wissenschaft hält die Philosophie auf Trab und bewahrt sie davor einzurosten.
Ein mentalistischer Fehlschluss: „Ich kann es nicht so/anders denken, also kann es nicht so/anders sein!“ Deshalb muss man nicht gleich Skeptiker oder Relativist werden, nur die Wahrheitsfindung gestaltet sich als schwieriger.
Wem die Ideen ausgehen wird Historiker – auf die eine oder andere Weise. Und sind wir nicht alle Historiker – auf die eine oder andere Weise?
Zur Bildung geeignet sind Lehr- und Sachbücher ebenso wie aphoristische und essayistische Werke. Gleichen Erstere eher einer seichten Brise, die dem Leser erfrischend ins Gesicht bläst, ohne ihn davonzutragen, entsprechen Letztere vielmehr einem Sog, der aufwühlt und Dunst erzeugt, der den Leser fortreißt und einsaugt. Welchen Werken man den Vorzug gibt, hängt davon ab, ob man lieber an der Oberfläche in die Weite segelt, oder doch lieber in die Tiefe taucht. „Aber“, so könnte man erwidern, „ich mache Beides gerne, je nach Wetterlage!“
Nur wer sich nirgendwo vollends zu Hause fühlt, kann überall anheimelnde Behaglichkeit finden und auch ohne große Wehmut weiterziehen. Denn er betrachtet die ganze Welt als sein Zuhause, gerade dann, wenn die vielen Häuser auf dem Wege jeweils andere Weltbilder sind. Die ganze Welt braucht geradezu kein Bild, in dem sie sich vereindeutigen muss. – Indes kein schöner Ort für Lokalmatadore und Traditionalisten und sonstigen Provinzdünkel, die auf dieselbe unüberhörbare Weise zu Sportveranstaltungen marschieren wie einst zum Schlachtfeld.
Es sind gerade die griffigsten Redewendungen, die nicht immer begriffen werden.
Narzissmus ist auch eine Art Zwangsstörung. Beim Kontrollzwang kann die betroffene Person das negative Gefühl, das durch eine vermeintlich gefährliche Situation verursacht wird, durch ihr Handeln nicht neutralisieren, und sie muss die Handlung deshalb ständig wiederholen. Zum Beispiel stellt sich bei ihr das Gefühl nicht ein, dass die Wohnungstüre sicher verschlossen ist, selbst wenn sie sie schon etliche Male kontrolliert hat. Genauso beim Narzissten: Bei ihm stellt sich auch nicht das Gefühl ein, zu genügen oder zu gefallen, und er muss sich deshalb ständig seines Selbstwerts von neuem vergewissern. Aber im Gegensatz zu vielen Narzissten ist sich der Betroffene einer Kontrollzwangsstörung häufig seiner Zwänge bewusst und braucht darum seine Handlungen nicht zu glorifizieren – und wird auch deshalb nicht von anderen glorifiziert trotz allen Tatendrangs.
Früher bevorzugte ich das Eindeutige, das Klare, das Berechenbare, das Exakte, das Rationale, die Mathematik, die Technik, das Rätsellösen, ... das Ergebnis. Heute liebe ich mehr das Mehrdeutige, das Paradoxe, das Unlösbare, das Vage, das Mysteriöse, die Philosophie, den Geist, die Rätsel an und für sich, ... das Leben.
„Bücherwissen“ sollte mit „Weisheit aus Büchern“ strikt unterschieden werden. Meint Ersteres einen bloßen quantitativen Kenntniszuwachs, der dazu befähigt, den Inhalt eines Buches rezitieren zu können, so bedeutet Letzteres etwas völlig anderes: Hier tritt man in Kontakt mit dem Autor, lernt in kennen, bis man schließlich seine Sichtweise übernehmen und mit ihm einen gedanklichen Dialog führen kann. Dieser gelingt umso besser, je mehr man von ihm erfahren hat und je empathischer man sich in ihn hineinversetzen und somit zum Kern seines Denkens vordringen kann. Diese praktische Komponente hat die Qualität und den Mehrwert einer jeden guten Ich-Du-Beziehung in Abgrenzung zum reinen angelesenen Wissenserwerb.
Die Systemtheorie lehrt, jede Beobachtung hat immer einen blinden Fleck, nämlich die jeweilige Perspektive der Beobachtung als ein nicht wahrnehmbares Außerhalb derselben. Mit dieser weitreichenden Sichtweise kann man aber die Welt als Ganzes nicht erfassen; das erkannte und beschrieb auch ein prominenter Vertreter des sogenannten „Neuen Realismus“. Erst mit einem anderen Erfassungsvermögen, bei dem Beobachter und Beobachtung verschmelzen, bei dem die Perspektive sich selbst transparent und quasi ein Überall wird, gelingt ein tiefes Verständnis für das Weltganze. Diese Weltsicht nennt sich Weisheit und besitzen nur die Allerwenigsten (und nein! – damit meine ich nicht mich selbst, noch lange nicht!).
Die meisten Querulanten und selbsternannten Querdenker sind nur schief gewickelt. Der kleine verbleibende Rest stellt sich nicht quer, sondern fliegt in die Höhe, blickt herab wie ein Vogel und erobert somit eine neue Dimension und Perspektive. Denn diese (typischerweise auch als „freischwebende Intelligenz“ bezeichneten) Denker wissen, man bedarf immer einer Dimension mehr nebst eines gewissen Abstands, um das Betrachtete komplett und ungebunden erfassen und angemessen bewerten zu können. Aber da das Fliegenlernen sehr mühselig und zeitraubend ist, gibt es derer nur so wenige.
Wahre menschliche Größe erkennt man an ihrem Demut und ihrer Bescheidenheit. Die Selbstbetrachtung der Größe als Kleinheit ist keine kognitive Verzerrung, sondern trägt der Einsicht Rechnung, dass jedes Wissen, mag es noch so hoch entwickelt sein, im Vergleich zur Allwissenheit nur ein Tropfen im Ozean ist. Als höchst entwickelte Erkenntnis ist die Weisheit des Weisen jedoch (normativ gesehen) Richtschnur für alle Menschen. Das Umgekehrte, wenn sich die Kleinheit als Große aufspielt, ist in seiner ubiquitären Präsenz der Kulminationspunkt eines individualistischen und auf Wettbewerb getrimmten Gesellschaftssystems, das permanente Selbstüberschätzung und Selbstüberforderung erzeugt.
Das Privileg ist wie ein schwarzes Loch im sozialen Universum. Es frisst alles Soziale auf, nur um gravitativ zu wachsen. Verfällt ein Mensch dessen enormer Anziehungskraft, fangen all seine Gedanken an, sich nur noch zentripetal um ihn selbst zu drehen. So hält er das Privileg schließlich für eine natürlich angeborene Eigenschaft, die ihn denken lässt, sein persönlicher, vornehmlich materieller Wachstum käme nur durch seine eigene Kraft zustande. Und er hält dann den an seinem Privileg haftenden Besitz für eine Art Körperteil, das ihm natürlich ist, das er zu schützen hat, meist im Namen der (oder besser gesagt: seiner) Freiheit – deshalb nennt er sich auch oft Libertarier.
Die naturalistische Erforschung des Sozialen ist wie das Beleuchten eines Spiegels im Dunkeln mit einer rot leuchtenden Taschenlampe, nur um dann festzustellen, dass der Spiegel rot ist.
Unzufriedenheit lösen die Weltreligionen in ihrer derzeitigen, unflexiblen Gestalt mit ihren einseitigen und beschränkten Blickwinkeln in mir aus. Noch unzufriedener, um nicht zu sagen besorgt, macht mich aber der Gedanke an das partikuläre gesellschaftliche Verlangen, Religionen ersatzlos streichen zu wollen.
Wenn ich mir die Welt so anschaue, ihre Entwicklung im Hinblick auf ihre Möglichkeiten, so scheint mir Leibniz´ „beste aller möglichen Welten“ sich zu einer „Bestienwelt ohne Möglichkeiten“ hinentwickelt zu haben.
Am 8. November 2016 hat sich mal wieder der Wahrheitsgehalt des Aphorismus von Joseph de Maistre bestätigt: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.“
Wer sich immer nur ablenkt, kann sich wohl kaum auf Spur halten und vergisst womöglich noch, wovon er sich ablenkt, so dass sein Leben eine Aneinanderreihung von Ablenkungen wird. Beispiele dafür sind stundenlanges und unreflektiertes Fernsehen, Musikhören, Computerspielen und dergleichen mehr: Der Todfeind jeder geistigen Entwicklung, auch wenn sie zwangsverortnet werden, wie z.B. stupides, repetitives oder allgemein nicht sinnstiftendes Arbeiten.
Den meisten Menschen fehlt es an Schliff und Glanz, weil sie sich ihrer Schleif- und Poliersteine entledigt haben; deren Schwere würde ihre Freiheit einschränken – dabei waren es genau diese, welche ihnen Gewicht verliehen.
Ich hoffe, die Welt ist ein Puzzle, in dem alle Teile sich so formen, dass sie zueinander passen und zusammen ein schönes Bild ergeben. Vielleicht ist dafür ein gewisses Aneinanderreiben und sanfter Abrieb nötig. Ich übe mich derweil in der Kunst des Puzzlespielens mitsamt seinen Tugenden: Geduld, Ausdauer, Sanftmut und vor allem: Lust am Spielen.
Als „gut“ kann die Übereinstimmung der deskriptiven mit der normativen Welt bezeichnet werden, oder lapidar gesagt: „Etwas ist gut, wenn es so ist, wie es sein soll.“ Und der Klebstoff, der diese Welten in Harmonie zusammenhält, scheint mir der soziale zu sein, dessen Form der Frieden ist. Somit ist vielleicht globaler sozialer Zusammenhalt „das Gute“ schlechthin.
Der einfachste Weg, sich einen fremden Gedanken einzuverleiben – ihn zum eigenen zu machen, ist wohlbegründet zu sagen: „Ich gebe Dir recht“. Eine sehr wertvolle Fähigkeit des Menschen. Mindestens genauso wertvoll ist es aber, aus guten Gründen sagen zu können: „Das sehe ich aber anders!“ – vor allem als spätere Grundlage für Ersteres. Zusammen wird dies „Entwicklung“ genannt – unabhängig davon, welcher Zwerg auf wessen Schultern steht. (Das dazu korrespondierende Bild des Riesen entspringt dem individualistisch-elitären Denken und ist für dieses von großer Bedeutung.)
Für einen Egozentriker ist genuiner Altruismus nicht widerspruchsfrei denkbar. Es verbleibt bei ihm immer ein Rest Eigennutz oder Egoismus, der nur durch einen echten Perspektivwechsel beseitigt werden kann, zu dem der Egozentriker aber nicht fähig ist. Aus demselben Grund ist er davon überzeugt, dass auch alle anderen Menschen zu einem solchen Perspektivwechsel unter Absehung des eigenen Standpunkts nicht in der Lage seien und dieser bloß ein Hirngespinst sei, zumindest aber eine motivationale Überforderung darstelle. So bleibt sein Denken konsistent und... beschränkt.
Ich glaube, das Pathos der Leidenschaft hält nur derjenige ständig hoch, der das Gefühl der Glückseligkeit im Zustand der Gelassenheit noch nicht gespürt hat. Und vom Standpunkt der Leidenschaft aus ist Gelassenheit nicht von Gleichgültigkeit zu unterscheiden, genauso wenig wie vom Standpunkt des Ehrgeizes aus Genügsamkeit nicht von Resignation zu unterscheiden ist.
Paul Valéry hatte recht, als er schrieb: „Zum höchsten Punkt seiner selbst gelangt man nur auf dem Umweg über die anderen und mit ihrer Hilfe.“ – aber ich sehe das nicht als Umweg.
Ich kann mit der Unterscheidung zwischen Kopf- und Bauchmensch nicht wirklich etwas anfangen: Mein Bauchgefühl sagt mir nämlich, ich sei ein Kopfmensch, und als Kopfmensch kann ich rational begründen, warum es oft besser ist, auf das Bauchgefühl zu hören.
Wo Hass und Wut regieren, dort ist für Verstand und Vernunft kein Platz, höchstens noch als deren Dienstleister.
Man kann sich die gesellschaftlich-politische Welt auf ähnliche Weise vorstellen wie die geologisch-tektonische. Wie die Erdplatten gemäß der Tektonik reiben sich die unterschiedlichen Weltanschauungen aneinander, was zu Spannungen und schließlich zu Beben führt. Aber hier nur in der Drift einer einzelnen tektonischen Platte den Grund für Erdbeben und sonstige Naturkatastrophen zu suchen ist genauso verfehlt, wie nur eine Partei als den Schuldigen für Kriege und sonstige menschengemachte Katastrophen auszumachen. Im Gegensatz zu den Platten verfügt der Mensch aber über Vernunft und ist prinzipiell in der Lage, Einsicht in die komplexe Dynamik zu gewinnen, in den Weltverlauf handelnd einzugreifen und auf diese Weise die Spannungen der Welt zu reduzieren. Dazu muss er aber die Überlegenheit seiner eigenen Platte in Frage stellen können und sich seiner Konvektionsströme, der tief sitzenden Gründe für seine persönliche Drift bewusst werden.
Ein Mensch steht immer im Spannungsverhältnis mit seiner eigenen Bedeutung, wenn er dieselbe selbst hervorbringen will. Dann entstehen nicht nur Bedeutungsprobleme, sondern auch Weltdeutungsprobleme, die der Betroffene dann aber als „Wahrheiten“ auszeichnet, schließlich soll sein Vorhaben ja gelingen, zumindest in seiner eigenen Welt. Diese Betrachtungsweise funktioniert auch oft in die andere Richtung bei Menschen, die das Wort „Wahrheit“ sehr häufig benutzen, oder sich selbst als „Freund der Wahrheit“ ausrufen. – Ich wende das besser mal nicht auf mich selbst an...
Es zeugt von eigentümlicher Selbstbezogenheit, wenn man das Bewusstsein als Werkzeug des personalen Ichs versteht. Vielmehr sollte man es als virtuelles soziales Organ verstehen, insofern der Mensch immer auch und zuallererst ein soziales und sprachgebundenes Wesen darstellt. Aus dieser Perspektive heraus scheint mir die Erforschung des Bewusstseins erfolgversprechender zu sein, anstatt es als eine in sich abgeschlossene, für sich selbst funktionierende Entität zu begreifen.
Weltbilder sind genau dann ideologisch, wenn sie normativ geschlossen sind, will sagen, wenn es in ihnen ein Innerhalb gibt, das perspektivistisch einseitig aufgewertet wird und ein Außerhalb, das mit selbem Engblick abgewertet wird. Das kann für wissenschaftliche Weltbilder genauso zutreffen wie für religiöse. Es gibt unterschiedliche, vielleicht unzählige Weisen der Beschreibung konsistender Weltbilder, die aber einander widersprechen können. Unter Toleranz verstehe ich deshalb nicht das indifferente Dulden eines anderen Denksystems, sondern dass mein eigenes Denken immer unter dem Aspekt stattfindet, dass ich nicht grundsätzlich darüber entscheiden kann, dass meine Weltinterpretation, also meine „Wahrheit“ die bessere oder richtigere ist. Ferner möchte ich einem Partikularismus das Wort reden, der der konkreten Situation in einem intersubjektiv ausbalancierten jeweiligen Maximalkontext den Vorzug gibt, und dieser immer nur als ein von mir beschriebener Ausschnitt eines hochkomplexen, mit dem menschlichen Erkenntnisvermögen prinzipiell nicht beizukommenden Weltganzen zu verstehen ist.
Was ist Grübeln? Ein Psychologe wird es wahrscheinlich als Symptom eines psychopathologischen Zustands einer Person beschreiben, bei der sie sich in einem zirkulären Denken bei gleich bleibenden Modalitäten über dasselbe Problem befindet. Fragt man hingegen einen Philosophen, so wird dieser viel mehr darunter ein intensives prozessuales, ergebnisorientiertes aber ergebnisoffenes Reflektieren über eine bestimmte Fragestellung oder einen bestimmten Sachverhalt verstehen. Bei einem Ideologen wird man dabei eher ein hoch motiviertes Suchen nach Gründen (und manchmal auch ein kreatives Erfinden derer) feststellen, das dem Zweck dient, den vorgefassten Wahrheitsanspruch argumentativ zu untermauern. Und was ist Grübeln nun? (Die bessere Frage jedoch lautet: Warum frage ich danach?)
Prinzipiell kann zwischen Präferenzen und das zu Präferierende unterschieden werden. Auf den ersten Blick könnte man eine Gleichschaltung für wünschenswert halten, jedoch sollte man darauf achten, in welche Richtung dieses Gleichschalten geschieht. Denn der Normalfall scheint mir so zu sein, dass man das zu Präferierende (als Ergebnis eines durch die Urteilskraft ermittelten Werts im Dienste der möglichst global zu denkenden Menschheit) unter das Joch des eigenen, persönlichen Vorteils stellt, der sich dem Einzelnen auf rein emotionale Weise im Sinn eines Emotivismus offenbart.
Ich kann die Fremdenfeindlichkeit nicht wirklich verstehen. Wovor haben diese Menschen Angst, was fürchten sie? Was kann ihnen denn noch Schlimmeres passieren als der Verlust ihrer Menschlichkeit?
Das einzige Ziel in meinem Leben ist der Freiraum für einen Weg, der nicht an Ziele gebunden ist. Dieser Freiraum ist mir deshalb so wichtig, damit ich aus vernünftigen Gründen im Hier und Jetzt selbstgestaltend agieren kann, auch wenn Zukünftiges dabei als rein abstraktes Agens in Form von Antizipationen oder Imaginationen wirksam bleibt, das aber stets neu überdacht (und wenn nötig revidiert) werden muss.
Es ist offenkundig ein evolutionärer Vorteil, auf das Fremde mit Angst oder zumindest mit Argwohn zu reagieren. Dennoch rechtfertigt er keinen Fremdenhass, denn wir besitzen die Fähigkeit, uns das Fremde vertraut zu machen. Diese ist aus Sicht der Evolution für den Menschen von viel größerer Bedeutung. Aber es bleibt die Angst, die am stärksten mit dem Fremdenhass korreliert, jedoch nur als Indikator einer schlechten individuellen Entwicklung. In diesem Kontext passt der Sinnspruch der Kabarettistin Lisa Fitz sehr gut: „Wer kein Selbstbewusstsein hat, braucht ein Nationalbewusstsein.“
Physiker und Mathematiker denken gerne in konsistenten geschlossenen Systemen. Für Gesellschaftstheoretiker und Philosophen wäre dies ein Graus! Denn diese wissen um die Bedeutung von Ambivalenzen und Paradoxien in hochkomplexen modernen Gesellschaftssystemen für die Vermeidung von fanatischen Ideologien und Totalitarismen. Hier ist ein ganz anderes Denkvermögen erforderlich, eben in offenen, paradoxen und ambivalenten Systemen, oder besser gesagt: Lebenswelten denken zu können.
Die dümmsten und zugleich gefährlichsten Menschen erkennt man daran, dass ihr Wille zur Pflichterfüllung oder ihr Traditionsbewusstsein stärker als ihr Reflexionsvermögen oder ihr Verantwortungsbewusstsein ausgeprägt ist. Solche Menschen findet man nicht nur häufig in Sekten, Religionsgemeinschaften oder in konservativen und extremen Parteien, sondern generell in Kulturkreisen standardisierter Personen und vor allem in Berufsgruppen, die mit Gehorsam operieren, wie z.B. Soldaten und Polizisten. Es ist überdies ratsam, Menschenmengen zu meiden, die wie mit nur einer einzigen Stimme sprechen. Das Gegenteil von Totalitarismus ist nicht Demokratie, sondern Pluralismus, oder besser: Pluralität.
Je größer die Ungleichheit, desto stärker die Anziehungskraft zwischen den Polen. Das ist vor allem eine gesellschaftliche und politische Wahrheit.
Ich bin kein Freund der paradoxen Formulierung, aber hier weiß ich es nicht besser zu sagen: In einer Gemeinschaft (insbesondere einer Partnerschaft) steigert sich die Freiheit Aller durch Einschränkungen der Freiheit der Einzelnen in einem solchen Maß, das ein Einzelner niemals allein erreichen kann. Verhält es sich genau anders, ist es ein Alarmsignal für etwas Dysfunktionales oder Pathologisches, dort ist baldige Auflösung bzw. Trennung angezeigt.
Die Suche nach Wahrheit ist ein sehr seltenes Ereignis. Viel häufiger findet sich die Recherche nach brauchbaren Argumenten zur Untermauerung der eigenen Meinung.
Anschluss suchen, „connected“ sein – das wünschen sich vor allen Dingen solche, die sonst keinen Halt spüren, die mit sich allein alleine bleiben. Netze sind jedoch seit jeher Fanginstrumente, Werkzeuge der Macht, auch in ihren neuen Begrifflichkeiten wie Vernetzung, Netzwerk oder Web. Bevor man solche Netze gutheißt, womöglich noch verherrlicht, sollte man wissen, ob man Spinne oder Fliege ist.
Es ist das eine zu glauben, das andere zu wissen. Und wo ist der Unterschied? – In der Art des Denkens. Und wo ist das Gemeinsame? – In der Art des Weiterdenkens.
Gewissheiten zu erlangen kann sehr tröstlich oder aufbauend sein, demnach ist das philosophische Interesse oder der religiöse Eifer gut nachvollziehbar, aber es gibt hierbei doch einen großen Unterschied, wenn man sich auf die Kehrseite besinnt: religiöse Irrtümer sind gefährlich, philosophische revidierbar und nicht selten nützlich. So auch das Bonmot von Friedrich Rückert: „Das sind die Weisen, die durch Irrtum zur Wahrheit reisen. Die bei dem Irrtum verharren, das sind die Narren.“
Auch das Ende einer Sackgasse ist ein Ziel, man muss es nur als solches definieren – macht man aber meist erst dann, wenn man dort angelangt ist, untermalt mit den glorreichen Worten: „Hey! Schaut mal, wie weit ich es geschafft habe!“
Ein besserer Mensch zu werden ist gleichbedeutend damit, ein besserer Mitmensch zu werden. Hier offenbart sich eine der grundlegendsten Konstitutionen menschlichen Seins: Er ist primär ein soziales Wesen, und selbst sein Bewusstsein hat sich ausrichtend an eine Solidar- und Sprachgemeinschaft entwickelt. Ein gesellschaftliches System, das egoistisches Konkurrenzdenken belohnt auf Kosten von Kooperationsbereitschaft führt zwangsläufig zu einer pathologischen Gesamtbefindlichkeit, die sich in Einzelphänomenen wie z.B. Sinnlosigkeitsgefühlen oder einer Steigerung an Psychotherapieplätzen und Singlehaushalten äußert.
Friedrich Nietzsche schrieb einst: „Der höhere Mensch wird immer zugleich glücklicher und unglücklicher“, und so ähnlich betrachte ich die Gesellschaft: Sie wird immer zugleich positiver und negativer ihrer Eigenschaften nach. Die private Bewertung des Gesellschaftsprozesses eines Menschen gibt Auskunft über seine Verortung innerhalb der Gesellschaft. Da aber aus evolutionären Gründen der Mensch zur Relativierung der positiven und zur Theatralisierung der negativen Erfahrungen neigt, gibt es stets einen größeren Konsens über eine negative Entwicklung des Gesellschaftssystems, die sich mit den Worten ins Gemüt drängt: „Früher war alles besser!“ – Ich betrache die Gesellschaft nun stets mit kritischem Blick, aber nicht ohne diesen kritschen Blick selbst kritisch zu beobachten.
„Glaube“ verhält sich zu „anthropomorphe Gottesvortellung“ genauso wie „Wissenschaft“ zu „naiver Realismus“. Hier kann man keine tiefe Einsicht in das Wesen der jeweiligen Domänen erwarten. Diese beginnt erst bei solchen Erkenntnissen, bei denen Spiritualität und Wissenschaftlichkeit kaum mehr zu unterscheiden sind und als komplementäres Ganzes zusammenspielen.
Man sollte sich vor Augen halten, dass der Mensch verschiedenartige Bewusstseinsströme hervorbringen kann, je nach Konstitution, Zeitepoche und Umwelt. Ich kann nur davon abraten, den eigenen als allgemein gültigen hochzuhalten. Der Wert eines Bewusstseinstroms misst sich auch nicht danach, wieviel Wahrheiten er für sich beansprucht und beanspruchen kann, oder wie konsistent er gegenüber anderen erlebt wird, sondern wie nützlich er für das Miteinander aller Menschen und für die Umwelt ist. In dieser Hinsicht bin ich Pragmatist und fetischisiere kein wissenschaftliches Pathos, dogmatisiere und verachte per se kein religiöses Empfinden, bewerte Menschen nicht nach dem Ausmaß ihrer Intelligenz, sondern danach, in welchen Dienst sie sie stellen.
Der Staat und jegliche sonstige Institution müssen dergestalt wie ein Transformator im Sinne einer Effizienzmaschine funktionieren: Wenig hinein, viel heraus! Funktioniert er andersherum oder nicht gleichermaßen für alle, schalte ich ihn lieber ab, denn Religionen, Fetische und Götzenbilder haben wir schon mehr als genug!
Moralität ist mehr als das innerpsychische Gefühl der Verantwortung für unsere Mitmenschen und Umwelt im allgemeinen, denn dieses stirbt gleichsam mit dem Tod eines Menschen. Moralität verweist vielmehr auf eine sozial geteilte Vorstellung des Guten und zugleich auf dessen bestimmbare Prinzipien, eben auf die Moral; diese bezeichnet dann eine im Dienst der Menschheit stehende Objektivität, eine solche, die erst durch soziale Bindungen und Interaktionen von Menschen in die Welt kommt, für die der Mensch auch einen Sinn, sein Gewissen, entwickelt. Moralität ist damit einhergehend eine über den Tod des einzelnen Menschen hinausreichende Dimension der Verantwortung als solche. Mag das Verantwortungsgefühl mit dem Tod des Subjekts auch sterben, die Verantwortung selbst als funktionale Konstituente der höheren Komplexitätsebene des sozialen Systems bleibt lebendig und erhalten. Es scheint so, dass wahrhaft religiöse Menschen dies besser verinnerlicht haben als atheistische Materialisten, wenn auch diese dazu durchaus in der Lage sind, als sie zu spüren wissen: „Ich bin primär ein soziales, ein sozial gebundenes Wesen – und dann und dadurch erst ein psychisch-bewusstes.“
Früher galt als Charakter das, was heute als mangelnde Flexibilität diskreditiert wird. So soll man mich ruhig diskreditieren, ich weiß es ja zu übersetzen! – Das Rückgrat indes behindert jede Flexibiltät, das wissen vor allem Politiker und sonstige Wendehälse.
Aus dem Wörterbuch des Menschlichen: Gegenteil von Freundschaft: Kosten-Nutzen-Denken.
„Lebendig ist allein der, der vollkommen frei über seine Zeit verfügt und sich bedürfnislos und in Ruhe der Philosophie widmet.“ So lautet der Wahlspruch der meisten antiken griechischen und römischen Philosophen, den ich absolut als mein Lebensmotto betrachte! – Es ist kaum zu glauben, welchen geistigen Rückschritt wir seitdem erleben mussten, wobei doch klar sein sollte, dass das Ziel der menschlichen Gesellschaft (natürlich neben dem Weltfrieden) darin liegen sollte, die in diesem Kredo implizierte Freiheit für alle Menschen zu ermöglichen, also meiner Meinung nach das bedingungslose Grundeinkommmen zu verwirklichen! Erst diesen Sprung nenne ich wahren Fortschritt: der Start in eine kulturelle Evolution, die eine neue Menschengattung produziert mit verbesserter geistiger Verfassung.
Der sprichwörtliche Mist, auf dem meine eigenen Erkenntnisse gewachsen sind, wurde von anderen, zum größten Teil helleren Köpfen als mich gedüngt, aber nicht so sehr, dass man sagen könnte, der Mist stinkt nach allen Seiten nach anderen: Es bleibt mein Substrat, auf dem alles gedeiht, verwelkt oder verwildert. Vielen kann ich indes nur raten, ihren eigenen Mist gut zu düngen, damit er nicht Mist bleibt – letzterer nicht sprichwörtlich gemeint.
Was ist bedauerlich? – Einen Menschen zu beobachten, wie er sagt: „Ich mache Fortschritte!“ und dabei mit seinem Finger Kreise in die Luft zeichnet.
Die Moderne ist ein Labyrinth, dessen viele Sackgassen und Umwege neben eben diesen Irrwegen auch zu interessanten und wichtigen Erkenntnissen geführt haben und führen können. Aber wehe dem, der keinen Ausweg daraus findet und dabei den Grund für seinen Eintritt vergisst!
Dem zunehmenden Sicherheitswahn, ein möglichst sicheres und dadurch sorgenfreies und planbares Leben führen zu wollen, der immer mit einem Verzicht auf Freiheiten einhergeht, möchte ich mit den Worten Kants begegnen (die er aber in einem anderen Kontext gebraucht hatte): „Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde.“
Jedes hinreichend komplexe Gebilde, das am besten als „autopoietisches System“ in der Systemtheorie beschrieben wird, hat das Bestreben zur Selbstorganisation. Dies beinhaltet nicht nur die Selbsterhaltung, sondern auch die Tendenz, möglichst autonom zu werden im Sinne einer Emanzipation. Beim Menschen (der ein solches System darstellt) zeigt sich dies in seinem Drang nach Freiheit. Der Markt (auch ein solches System) zeigt aber auch so eine Tendenz, nämlich sich von externen Regulatorien zu befreihen. Der Markt, immer als Prozess verstanden, wird sich unweigerlich zu einem entfesselten Markt entwickeln. Oder wie Volker Pispers in seinem Bühnenprogramm mit folgender Analogie so treffend sagte: „Kapitalismus – Raubtierkapitalismus... Wasser – nasses Wasser...“.
Fantasie ist wie ein wildes Pferd, das nur denjenigen ans Ziel bringt, der es auch zu zügeln weiß. Und die Zügel sind das Wissen des Reiters mitsamt seinen Erfahrungen, die ihm im Ritt der reinen Kontingenz erst seine persönliche Richtung verleihen.
Die eigene Entwicklung ist nicht zu denken als eine punktuelle Fortbewegung in dem Sinne, wo ich einst war, dort bin ich jetzt nicht mehr, sondern eher als ein Ausdehnen eines Gummibandes. Somit besteht immer noch ein Bezug zu dem, was wir einst waren, der immer spannungsreicher wird und einer Selbstentfremdung entgegenwirkt. Aber wehe dem, der sein Band zum reißen bringt!
Die Wurzel alles Bösen ist das auf sich selbst fixierte „Ich“ des Menschen. Und warum kann man das Böse nicht ausrotten? Weil diese Wurzel eine Notwenigkeit im Leben und Überleben des Menschen darstellt, aus der auch das Gute erwächst.
Erkenntnismomente durch die Vernunft, die nicht von einer Emotion getragen werden, sind bedeutungslos, weil sich eben jene Bedeutung in der Emotion ausdrückt. Der depressive Selbstmörder beispielsweise weiß vor seiner Tat oft auch, dass er seinen Freunden und Verwandten damit einen Schmerz zufügen wird, auch kann er diesem einen höheren Grad einräumen als den eigenen Schmerz, der ihn zu seinem Vorhaben antreibt, aber seine Depression nimmt ihm die sonst damit verbundene Emotion, diesen Überlegungen Gewicht zu verleihen.
Wissen und Glauben sind zwei verschiedene Dimension des menschlichen Lebens. Ersteres beschreibt ein Streben nach innerem Wachstum und letzterer eine innere Haltung, der Welt zu begegnen und geht als gefühlte Gewissheit dem ersteren voraus. Eine sich ergänzende Verknüpfung beider Dimensionen ist der Wegbereiter der Weisheit.
Leben ist Wachstum – und Bildung dessen Königsweg mit der einhergehenden Entwicklung von Fertigkeiten, Kenntnissen und Einsichten.
Jede Debatte, die nicht in einer Art „Miteinander-Tanzen“ endet, sondern in einen Disput, ist es nicht wert, gehalten zu werden. Kennzeichen letzterer Art sind Ausdrücke aus der Kriegskunst wie z.B. „Verteidigung der eigenen Position“, „Angriffspunkte suchen“ und dergleichen. Ein Voneinanderlernen findet nicht statt, daher ist sie wertlos, oder sogar schlimmer, wenn dadurch die eigene Meinung sich verfestigt und sich in etwas Starres verwandelt und man sie mit einer gereiften Haltung verwechselt.
Alle Menschen wachsen als Kinder in die Höhe, einige danach in die Breite, aber die wenigsten noch in die Tiefe – oft verursacht durch die regelmäßige Einnahme von wachstumshemmenden Mitteln, die in immer größer werdender Zahl verfügbar sind.
Zur Meinungsbildung taugen Internet-Suchmaschinen nur bedingt, denn die Gefahr ist sehr groß, dass aus diesem Teich sämtlicher Fischarten nur solche gefangen werden, die einem auch schmecken. Oder um mit den Worten des Psychologen Jerome D. Frank zu sprechen: „Alle Einstellungen filtern die anfallenden Informationen durch Hervorhebung der sie bestätigenden und Bagatellisierung der sie nicht bestätigenden Aspekte. Widersprechende Informationen werden nicht beachtet oder rasch vergessen.“
Die Bäcker kleiner Brötchen wissen es am besten: Es kommt viel mehr auf den Geschmack an als auf die Größe – solange man nur satt wird.
Man muss erst die Erwerbsarbeit über Bord werfen, um wirklich arbeiten zu können, aber dies nennt man dann nicht mehr arbeiten, sondern leben.
Wie verachte ich den kleingeistigen Kleinwuchs – die Mensch gewordenen Yorkshire Terrier, die jeden und alles ankläffen, was anders, was größer ist als sie selbst und dabei denken, sie hätten den Biss eines Schäferhundes, oder schlimmer! – sie seien der Schäfer selbst.
Jeder, der seine eigene Bibel im Herzen trägt, der will auch predigen!
Man sollte einen oder DEN Menschen begreifen mit der Weisheit des Bergsteigers: Wissend, dass es mehrere, letztendlich unzählige Wege zu seinem Gipfel gibt und ihn dabei niemals vollständig verstehend. – Und vielleicht sollte man alle Dinge auf diese Weise erkundschaften: mit Vorsicht, Demut, Ausdauer und Courage.
Ein wahrer Atheist ist ein Mensch, dem es sogar gelingt, das Wort „Hoffnung“ aus seinem Vokabular zu streichen – selbst und gerade in Extrem- oder „Grenzsituationen“, wie Karl Japsers sie so schön beschrieb. Mir ist ein solcher Mensch noch nicht begegnet, selbst nicht bei den stoischsten Stoikern; es scheint fast so, als sei der Mensch nicht nur zur Freiheit verurteilt (so der Feingeist der Existentialisten), sondern auch zum Glauben, auch wenn es sich dabei nur um den Glauben an ein gutes Ende handelt, ohne diesen wir freilich nicht in der Verfassung wären, das Leben zu ertragen – manchmal so weitgehend, dass einige Menschen aus diesem Glauben (vor allem in seiner Verkleidung als Gewissheit) eine eigene Welt konstruieren, in der sie der unangefochtende und unbesiegbare Protagonist sein können.
„Keep cool!“ blöken die Schafe im Chor des Schäfers das aus ihrer Reihe tanzende Schaf an, das Ihnen „Empört Euch!“ entgegenhält und sich über deren Dummheit und Ignoranz schwarz ärgert.
Der Künstler betrachtet sein Werk aus mindestens drei verschiedenen Perspektiven: Vornehmlich aus der ästhetischen und bei konnotativem Anspruch ebenso aus einer effektiven. Effizienz ist dem Kunstwerk nicht wesentlich, manchmal aber notwendig und bleibt so als eigene Entität neben der Effektivität (Wirkung, Mitteilung etc.) und Ästhetik (darunter auch das Erhabene und Sinnstiftende) bestehen. Der Unternehmer erkennt die Ästhetik seines Schaffens in der effizienten Effektivität, sie verschwindet somit als eigene Entität. Die punktuelle Verkümmerung der Effektivität im Sinne einer autotelischen Ökonomisierung (bspw. einer Kapitalvermehrung als Selbstzweck) ist prototypisch für das Tun der Banker und ihrer Schergen: Diese nenne ich wahrhaftige eindimensionale Menschen oder salopp gesagt (und unter Beachtung der von ihnen erzeugten Kollateralschäden) Vollidioten.
Es muss soviele Konzepte vom Geist des Menschen geben, wie es Menschen gibt, und diese Konzepte sind als undeutliche Abziehbilder zweifelhafter Herkunft und Verwendung abzulehnen.
Ich bin Atheist im Sinne von Gilles Deleuze: „Die Götter sind tot: allerdings sind sie an Lachen gestorben, als sie einen Gott sagen hörten, er sei der einzige.“ – und genau das könnte auch den Menschen blühen, die behaupten, es gäbe nur eine Wahrheit, der man sich zu unterwerfen habe.
Das Leben eines Menschen ist wie das Blühen eine Blume: Entweder sie blüht auf ihre eigentümliche Weise, oder sie blüht gar nicht.
Für manche Menschen gibt es eine schlimmere Vorstellung als die vom Tod, dem Nichtsein: das ist das Nichtssein.
Ein Narzisst ist ein Mensch, der schon sehr früh erfahren musste: „Im Leben bekommst Du nichts geschenkt – verdiene es Dir gefälligst!“
Die hohe Scheidungsrate ist eine Kennzahl, die sich aus der Konsequenz einer Eheschließung zwischen zwei Homines oeconomici bildet.
Vom Berg aus betrachtet erscheint die Tiefe oft als Abgrund. Im Tal hingegen weiß man, auf dem Berg ist der Platz sehr beschränkt. Dorthin will nur der, der nicht mit anderen im Tal zu leben weiß.
Das Leben eines Menschen am Rand der Gesellschaft ist wie ein Leben einer Ameise am Rand einer Münze: Dort ist die beste Perspektive auf beide ihrer Seiten gegeben, wobei eine Seite meist im Dreck liegt und deshalb dort ein Krabbeln eher einem Kampf gleicht.
Meine einzige Radikalität liegt in der Ablehnung aller anderen Radikalitäten, so auch ihrer genügsamsten Formen: der Prinzipien. Auf diese Weise brauche ich meine Überzeugungen nicht in ein kleinkariertes Denkraster zu spinnen, sondern bewahre ihre eigentümliche Dynamik.
Freude ist die Kehrseite des Leidens, Gleichmut dessen Abwesenheit. Echte Freude und Gelassenheit finden daher nie zu einander (in dem Moment, wo man wahrhaftige Freude empfindet, ist man eben nicht mehr gelassen), Indifferenz und Leiderzeugung hingegen sehr oft. Mir fehlt bei der „heiteren Gelassenheit“ das notwendige Potential eines gemeinschaftlichen Korrektivs. Und überhaupt halte ich die Empörung für eine Tugend, und eine höhere als die Gelassenheit noch obendrein. Mir ist der leidenschaftliche Aktivist ein weitaus angenehmerer Mitmensch als der Stoiker, sofern er sein Tun durch die noch höhere Tugend der Besonnenheit Grenzen setzt und es mit der allerhöchsten Tugend, der Klugheit, steuert.
Der Mensch hat nicht die Fähigkeit, zwischen zwei Übeln zu wählen in dem Sinne, als hätte er dabei eine freie Entscheidungswahl. Er ist gezwungen, sich vorher so zu verbiegen, dass er erst derjenige wird, der dann die freie Wahl treffen kann. Er „erkrankt“ sozusagen an Pest oder Cholera, wählt er diesselben. Die als Krankheit bezeichnete Depression schützt vor einer nachteiligen und nachhaltigen Veränderung seines Selbst – ein wahrer Pyrrhussieg und von vielen Psychopathologen als „rigide Selbststruktur“ überinterpretiert!
Ich bin ein gläubiger Mensch, denn ich glaube an die Vernunft. Wie jeder anderer Glaube jedoch auch, kann sich die Vernunft nicht selbst begründen – genausowenig kann sie alles erklären oder besitzt die letzte Weisheit. Die letzten Erkenntnisse und Überzeugungen rühren daher nicht aus vernünftigem Denken, sondern entspringen der Quelle jeden Glaubens: der Intuition. Der intuitive Mensch weiß um seinen Glauben und glaubt an seine Weisheit und weiß dazwischen zu unterscheiden.
Ein moralisch integerer Mensch hat keine Überzeugungen in dem Sinne, wie man eine Ware besitzt oder auch nicht, sondern die Überzeugungen eines Menschen prägen eklatant seine Seinsform – ein Mensch IST demzufolge seine Überzeugungen. Ein Handeln gegen diese Überzeugungen ist somit vergleichbar mit einer Selbstdestruktion – oder im Falle, wenn man gar nicht mehr nach seinen Überzeugungen handelt bzw. handeln kann oder darf, identisch mit Selbstmord bzw. Mord. – „Da kannst du Gift drauf nehmen!“ bestätigte schon Sokrates, „oder flüssiges Blei!“ überbot Giordano Bruno.
Es gibt keinen verletzten Stolz, nur gekränkten pathologischen Narzissmus. Narzisstisch gesättigte (gesunde) Menschen besitzen auch Stolz, nennen diesen aber Selbstwertgefühl und verhalten sich auch dann ehrenvoll, wenn dasselbe einen Angriff erdulden muss.
Unter Bundesregierung versteht man das Verfassungsorgan, das auf Basis von Wirtschaftsinteressen Gesetzestexte verfasst und diese so lange vom Bundestag beschließen lässt, bis sie das Bundesverfassungsgericht zermürbt als gesetzeskonform beurteilt (meist unter Ausschluss des Volkes während Fußballmeisterschaften).
Zweifel setzt eine umfassende Kenntnis des Angezweifelten voraus. Zweifeln um seiner selbst willen ist meist nur Ausdruck latenter Selbstzweifel und bietet dem Zweifler einen Nährboden für eine Wiese, auf die er nur seine hübschesten Blumen blühen lässt.
Eine Form von Intelligenz, wenn nicht sogar die bedeutenste, ist, viele andere Menschen von der eigenen Intelligenz profitieren lassen zu können. Der Rezitator auf der Bühne ist dem Menschen ein größerer Gewinn als das Genie im Keller.
Sollten Erkenntnisse aus der Welt des Komplexen sich als kontraintuitiv entpuppen, so ist das ein gutes Zeichen für ihre Richtigkeit. Jenseits der Grenze des Verstehbaren denken zu können und dort neue Erkenntnisse zu gewinnen, zeigt das Geniale im Menschen und ist nur wenigen vorbehalten.
Weisheit ohne Leidenschaft ist leer und daher potentiell zum Nihilismus führend, Leidenschaft ohne Weisheit ist blind und daher potentiell gefährlich.
Vom Tiefgrund zum Abgrund ist es meist nur ein Schritt.
Zitate von Koryphäen dienen oft als wärmendes Federkleid, wenn man an der Erkenntnis erschaudert, dass die Grenzen des eigenen Vermögens spürbar niedriger als die jener liegen. Aber man sollte sich nicht mit dem Tragen von fremden Federn zufrieden geben, denn als Schmuck blendet dieses Kleid nur. Erst wenn es zur eigenen Haut geworden ist, kann man damit fliegen lernen und die eigenen Grenzen sprengen.
Der meist ein Defizit eines Menschen anprangernde Ausspruch „Gut, dass nicht alle so sind wie du!“ gilt ausnahmslos und generell für alle Menschen. Nur in der Verschiedenheit der unterschiedlichen Menschen liegen der Erfolg und das Überlebenkönnen der Menschheit begründet, vor allem in ihren Extremfällen. Eine Nivellierung dieser Unterschiedlichkeit und eine damit einhergehende Ausmerzung der Extremfälle muss daher gefährlich sein. – Also muss es heißen: Menschen soll man nicht normen!
Es gibt kein „Nicht-Tun“ als Gegenteil des Tuns; jene ist nur dessen Passivform, nämlich das Geschehenlassen infolge eines Nicht-Eingreifens. Als solche hat sie denselben Stellenwert wie jede andere Handlung. Ihre Bedeutung zeigt sich – wie bei allem Tun – nur im Konkreten. Für manche Menschen aber ist die Erkenntnis schwer zu ertragen, dass auch etwas passiert, ohne dass sie eingreifen, ohne dass sie da-sind: „Ich mache, also bin ich.“ – für diese Menschen eine Art Lebenselixier, gebraut in der Moderne.
Es ist niemals nur EINE Sache, die eine andere bewirkt. Die Rückverfolgung einer Ursache-Wirkungs-Kette wird daher immer unschärfer, unbedeutender, sinnloser.
Die Geben-Nehmen-Waage lässt sich nicht eichen. – Oder wem ist es schonmal gelungen, eine Balkenwaage mit nur einer Hälfte auszuloten?
Alle Menschen wünschen sich ewige Jugend, aber denen, die sie für sich gefunden haben, wirft man pubertäres Verhalten vor.
Je mehr Gesetze ein Staat benötigt, desto ungeeigneter ist er für den Menschen. Der Staat sollte lieber mehr Vorbilder generieren als Vorschriften.
Die eigene Tiefe, also die Tiefe der eigenen Gedanken ist wie ein Brunnen, über den man sitzt, aus dem man schöpft, der einen nährt. Nur man selbst erkennt durch die ideale Perspektive die vermeintliche Tiefe und verurteilt diejenigen, welche aufgrund flacherer Betrachtungswinkel nur die Brunnenwände, jedoch nicht den Grund sehen können. Und darüber wird all zu leicht vergessen, dass diese Anderen über ihre eigenen Brunnen sitzen, die womöglich noch viel tiefer sind, dafür vielleicht ein weniger prachtvolles Mauerwerk besitzen.
Weisheit ist genau das, was man Menschen nicht zu erklären braucht, die sie besitzen, und Menschen nicht verständlich machen kann, die sie nicht besitzen.
Der Hals von vielen Bürgern liegt in der Hand von wenigen Würgern.
Viele, die viel gelesen haben und sich für gut belesen halten, brauchen ihre eigenen Gedanken nicht niederzuschreiben, denn diese stehen schon längst woanders geschrieben.
Wenn Unzufriedenheit aus der Kluft zwischen Ist- und Wunsch-Zustand wächst, so kann man einerseits Zufriedenheit dadurch erreichen, den Ist-Zustand an den Wunsch-Zustand anzugleichen. Wer kann, sollte aber die andere Richtung einschlagen.
Die meisten Lehrer lehren nur das, was sie selbst einmal gelernt haben – irritierend für sie die Frage nach der Richtigkeit.
Die meisten Menschen schätzen ihre Privilegien in dem Maße, wie sie sie bei anderen missbilligen.
Jedes Ereignis und jede Situation bedürfen ihrer je eigenen Beurteilung. Vorgefasste Meinungen sind zwar schnell zur Hand, führen aber allzu oft in die Irre.
So manche sagen „Ich liebe dich“ und meinen „Ich liebe die Liebe“.
Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst, somit der, den wir dem Leben geben.
Intelligenz ist nur die Wanne der Vernunft. Daraus schöpfen zu können zeigt den wahren Intellekt des Menschen.
Der Unterschied zwischen Tier und Mensch liegt im Verstand. Der Unterschied zwischen Mensch und Mensch liegt in der Vernunft.
Wer zum Höhenflug ansetzt, sollte seine Dienstgipfelhöhe kennen.
Wer ständig in die Vergangenheit zurückschaut, verliert den Blick für die Zukunft.
Wer immer nur cool sein will, wird irgendwann mal nur kalt.
Wenn wir uns nur damit beschäftigten, unsere Fehler zu beheben, bliebe uns keine Zeit mehr für etwas anderes.
Wenn wir etwas falsch machen, dann aber richtig.
Die Fragen, wer jemand ist und welche Arbeit jemand ausübt, führen fast immer zur gleichen Antwort.
Heutzutage ist es wichtiger, was man hat als wer man ist. Hat man viel, ist man wer.
Wissen plus Glauben ist konstant: Je mehr man weiß, desto weniger glaubt man.